Anna Maria Martini

Phänomenologie der Zweigeschlechtlichkeit

Kenotische und transzendente Momente und ihre anthropologische Bedeutung

libri nigri Band 54

Abstract / Rezension


Dieser Band erforscht das Phänomen der Zweigeschlechtlichkeit, in seiner grundsätzlichen Bedeutung als Konstituens leiblichen Daseins und als leibliches Phänomen selbst. Die Verfasserin beschäftigt sich mit den Fragen: Warum existieren wir überhaupt in einem männlichen oder weiblichen Leib? Worin besteht der Sinn der Zweigeschlechtlichkeit? Die These lautet nun folgendermaßen: Die geschlechtliche Leiblichkeit führt den Menschen zunächst in einen kenotischen Daseinsvollzug, scheinbar von sich selbst weg, in eine Leere oder Fremdheit. Am Boden jener Entäußerung, in der Erfahrung des Selbstverlustes, des Schmerzes, kann sich eine Wendung vollziehen in ein Transzendenzgeschehen, das uns zu uns selbst zurückführt, zu einem höheren Ich-Gewinn, der sich als ein Freiwerden zeigt und sich im Phänomen der Liebe ausdruckt. In der Liebe und im Ich ist das Geschlecht transzendiert. Damit leuchtet ein Sinnhorizont auf, in dem die Zweigeschlechtlichkeit gleichsam als "Katalysator" der Ich-Werdung des Menschen beschrieben werden kann.
Wenn wir die tiefere Sinnstruktur unseres Daseins anfänglich aufdecken wollen, haben wir uns der Tatsache des Verkörpertseins in einem geschlechtlichen Leib zu stellen. Der geschlechtliche Leib fordert uns durch die Ambivalenz von Identifikation und Abgrenzung zur Selbstpositionierung heraus. Dieses Leiblich-Sein erweist sich als kenotischer Daseinsvollzug, der zugleich die Notwendigkeit und Möglichkeit des Transzendierens eröffnet und damit zur Grundbedingung für Ich-Erfahrung, Selbsterkenntnis und Selbstbewusstsein wird.

Folgende Rezension erschien im Journal für Religionsphilosophie, Ausgabe 5/2016, Seite 139-142


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