Dieses Buch widmet sich einem bisher vernachlässigten Bereich der deutschen
Kirchengeschichte, nämlich dem der Kirchengemeinden der Evangelischen
Kirche Altpreußens, die nach dem Versailler Vertrag vom Deutschen
Reich abgetreten werden. Erstmals seit der Reformation ist das Territorialprinzip
in der Weise durchbrochen, dass eine deutsche Landeskirche Kirchengemeinden
in unterschiedlichen Staaten betreut. Die Probleme, die
dies angesichts einer deutsch-nationalen Ausrichtung der Kirche Altpreußens
und angesichts der nationalpolitisch aufgeladenenen Situation in den
Abtretungsgebieten mit sich bringt, werden ebenso in den Blick genommen
wie die Grundsätze des Vorgehens der Kirche Altpreußens bezogen auf diese
Gebiete. Vertiefend erfolgt dies am in Deutschland nahezu vergessenen Memelland,
jenem Gebiet nordöstlich der Memel, das 1919 mit dem Versailler
Vertrag von Ostpreußen abgetrennt und 1923 unter die Souveränität Litauens
gestellt wird. Das Agieren der altpreußischen Kirche in diesem Gebiet, dessen
Bevölkerung zu nahezu gleichen Teilen aus Litauern und Deutschen besteht,
wird vor dem Hintergrund der ostpreußischen Geschichte und Identität sowie
des memelländischen Sonderwegs zwischen 1919 und 1939 u.a. mit Blick auf
die Entwicklungen in Litauen entfaltet. Aufgrund der starken Verwurzelung
auch der litauischen Memelländer im Luthertum und in der altpreußischen
Kirche sowie der nationalpolitischen Zurückhaltung dieser Kirche kommt es
zu erstaunlichen Auseinandersetzungen um die Evangelische Kirche im Memelland,
die hier erstmals im Kontext der allgemeinen kirchengeschichtlichen
Entwicklungen in der Weimarer Republik ausführlich betrachtet werden.
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