Band 9
Klösterliche Sammelpraxis in der Frühen Neuzeit

Herausgegeben von Georg Schrott und Manfred Knedlik


Rezension


 

Selbst die kunst- und kulturgeschichtliche Sammlungsforschung hat - von den Klosterbibliotheken abgesehen - Klostersammlungen bislang nur am Rande erwähnt. Doch hinsichtlich ihrer Entstehungs- und Verwendungsbedingungen unterscheiden sich klösterliche Sammlungen deutlich von anderen Sammlungen. Die Herausgeber verstehen den vorliegenden Sammelband als einen ersten Schritt zu einer Bestandsaufnahme; er stellt ordensübergreifend Sammlungen aus dem deutschen Sprachraum vor für die Zeit zwischen dem Beginn der Reformation (1517) und dem Untergang des Römischen Reiches Deutscher Nation (1806). Georg Schrott entwirft einleitend eine Typologie von Klostersammlungen und geht ihrer Bedeutung wie ihrer Entwicklung nach: In der Barockzeit führte die höfische Leitkultur vielerorts zu einer ersten Hochblüte klösterlicher Sammelleidenschaft. Politisch einflussreiche Stifte und Abteien nutzen ihre Sammlungen für ihre repräsentativen Bedürfnisse - auch um im Zeitalter der Gegenreformation die Überlegenheit des Katholizismus zu demonstrieren. Zahlreiche Sammlungen entsprangen der Forderung des Trienter Konzils, den Klerus gründlich auszubilden. Viele Klöster eröffneten Hausstudien; naturwissenschaftliche und technische Sammlungen sollten das Bücherwissen illustrieren, weshalb sich ältere Sammlungen auch stets in oder bei der Klosterbibliothek befinden. Die enge Verbindung von Sammlungen und Lehrbetrieb blieb auch während der Aufklärungszeit erhalten. Mit der Übernahme bürgerlicher Leitideen verIagerte sich jedoch der Schwerpunkt von einer enzyklopädischen Repräsentation der ganzen Welt zu einem wissenschaftlich fundierten Verstehen der Umwelt. Um sich vor aufgeklärter Kritik als gesellschaftlich nützlich zu legitimieren, betonten viele Klöster nun den pädagogischen Wert ihrer Sammlungen. - Die folgenden Artikel stellen ausgewählte Beispiele vor: frühneuzeitliche Klosterbibliotheken in Bayern sowie im westfälischen Prämonstratenserkloster Valar, das Raritäten - und Kuriositätenkabinett der barocken Klosterbibliothek von St. Gallen, das ehemalige naturwissenschaftliche Kabinett in der Serviten-Kunstkammer in Innsbruck, die vielfältige Sammelpraxis des Prager Prämonstratenserstiftes Strahov, Pflanzen und Gartenliteratur im früheren Zisterzienserkloster Neuzelle (Niederlausitz) sowie botanisches Sammeln im oberösterreichischen Benediktinerstift Kremsmünster. Schrott hat dem Buch eine deutsche Auswahlbiografie beigefügt. Ein tabellarisches Register erschließt die 153 aufgelisteten Titel nach Klöstern und Sammelgebieten. Die Herausgeber haben als echte "Amateure" außerberuflich viel Arbeit in ihr Projekt investiert; es ist zu wünschen, dass der Band die Erforschung klösterlicher Sammlungen anregt, damit in Zukunft "das Sammeln als kulturelle Praxis der Klöster angemessen in die Sammlungsforschung und in die vergleichende Ordensforschung" (71) Eingang findet.

Christiaan Keller OCSO, Westvleteren




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