Band 14
Nora Pärr
Maximilian Hell und sein wissenschaftliches Umfeld im Wien des 18. Jahrhunderts

Abstract / Rezension

 
 
Aus der Einleitung

In dieser Dissertation möchte ein Einblick in die Entwicklung der Astronomiegeschichte im Wien des 18. Jahrhunderts gegeben werden. Zentrale Stellung nimmt hierbei Maximilian Hell, erster Direktor der 1755 gegründeten Universitätssternwarte Wien, ein.
Verbunden mit einer biographischen Darstellung Maximilian Hells wird das von ihm in Wien vorgefundene wissenschaftliche Umfeld näher beleuchtet. Als Anhaltspunkt diente zunächst der auf der Universitätssternwarte Wien aufbewahrte Nachlass Maximilian Hells. Ausgehend von seinem ersten Biographen und Nachfolger im Direktorenamt, Franz de Paula Triesnecker, stützt sich das Urteil auf weitere Zeitgenossen. Eine kritische Darstellung ist mit dem Berliner Astronomen Anton Jungnitz, der erstmals eine Auswahl sowie eine Übersetzung ins Deutsche von Hells wissenschaftlichem Werk herausgab, vorhanden. Sowohl Joseph Johann als auch sein Sohn und Nachfolger im Direktorenamt Carl Ludwig von Littrow, der später Hells Reisetagebuch mit im Vorwort enthaltenen Fälschungsvorwürfen herausgab, waren durch die jesuitenfeindliche Gesinnung Jungnitz' in ihrem Urteil voreingenommen.
Angesichts des am 8. Juni 2004 stattfindenden Venusdurchganges und anlässlich des für das Jahr 2012 zu erwartenden Venusdurchgangs zog Hell wieder die Aufmerksamkeit auf sich. Die in Schemnitz beheimatete "Maximilian-Hell-Gesellschaft" hat anlässlich des von der UNESCO ausgerufenen "Jahres der Astronomie 2009" auf dem Friedhof von Maria Enzersdorf, der Begräbnisstätte Hells, eine Maximilian-Hell-Gedenkbüste errichtet.
Maximilian Hells Bedeutung liegt darin, zwar nicht zu den "Gelehrten der ersten Reihe" zu gehören, dennoch Grundlegendes hinsichtlich seiner Disziplin geleistet zu haben. Darum entschloss sich die Universität Wien 1998, im Zuge der Wiedereröffnung des "Campus" eines der "Tore der Erinnerung" nach Hell zu benennen.
Das Hauptaugenmerk der bisherigen wissenschaftsgeschichtlichen Untersuchungen lag auf Hells wissenschaftlicher Großleistung, seiner Beobachtung des Venustransits auf der Eismeerinsel Wardoe und seinen damit verbundenen Erkenntnissen zur "Astronomischen Einheit", der Bestimmung des Abstands zwischen Erde und Sonne.
Meine Untersuchung beginnt im ersten Kapitel mit den Vorläufern astronomischer Forschung in Wien, darunter sind naturwissenschaftliche Sammlungen zu vestehen. Dazu zählten neben dem von Jesuiten betriebenen "Mathematischen Museum" auch das "Astro-Physikalische Kabinett" in der Hofburg, zu dessen Instrumentarium Erläuterungen folgen. Eine Ergänzung bilden Exkurse zu Flugtechnik und Elektrizität.
Anschließend folgen im zweiten Kapitel Betrachtungen zu Formen adeliger Förderung astronomisch-naturwissenschaftlicher Gelehrsamkeit, wobei der Wissensvermittlung in den fürstlichen Salons eine wichtige Rolle zukommt. Einen Ausblick auf erste Wiener Sternwarten gewährt das dritte Kapitel. Das Spektrum reicht von der ersten Jesuitensternwarte bis hin zu herausragenden Privatsternwarten mit hohem technischen Standard. In engen Zusammenhang damit stehen die im vierten Kapitel angesprochenen Naturalienkabinette von Bildungseinrichtungen wie Ritterakademien und Konvikten.
Das fünfte Kapitel ist der Wiener Universitätssternwarte gewidmet, neben der Baugeschichte und dem Instrumentarium kommen auch erste Beobachtungstätigkeit ihrer Mitarbeiter sowie ihre Verortung in der internationalen Observatorienlandschaft zur Sprache.
Daraufhin folgen im sechsten Kapitel Erläuterungen zu einzelnen Observatorien der Kronländer, die mit Hell in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Ausgehend von Hells Geburtsort und den Stationen seiner Ordensausbildung spannt sich der Bogen über ungarische und tschechische bis hin zu weiter entlegenen Sternwarten des Habsburgerreiches.
Schlußendlich habe ich mich in den folgenen Kapiteln meinem eigentlichen Forschungsfeld, den naturwissenschaftlichen Studien in Klöstern, zugewendet. Ausgangspunkt bildet hierbei das siebente Kapitel, in dem ein Blick auf die naturwissenschaftliche Betätigung anderer Jesuitensternwarten geworfen wird. Dem gegenüber wird im achten Kapitel die benediktinische Naturforschung gestellt, wobei neben astronomischen Bestrebungen in ungarischen und tschechischen Klöstern auch der Zweig der Mechitaristen Beachtung findet.
Das neunte Kapitel veranschaulicht die augustinische Zugangsweise zu naturwissenschaftlichen Studien, wobei hier das Hauptaugenmerk auf Uhrenkonstruktionen liegt. Als Kontrast dazu sind das zehnte sowie elfte Kapitel den bis dahin weitgehend unbekannten astronomischen Spuren im prämonstratensischen sowie zisterziensischen Klosterbereich gewidmet.
Eine Gesamtschau auf das Phänomen der "Priestermechaniker", naturwissenschaftlich ambitionierter Ordensleute, wird dem Leser im zwölften Kapitel geboten.
Die drei abschließenden Kapitel bilden wiederum einen Blick auf Wiener Institutionen unter besonderer Einbeziehung des Freimaurertums. In weiterer seines Gönners Joseph Freiherr von Penkler näher beleuchtet.
Die Rolle des Jesuitenordens spielte für die Entwicklung der Naturwissenschaften an der Universität Wien eine wesentliche Rolle, daher wird der astronomiegeschichtliche Aspekt im Vordergrund stehen. Es werden dabei nicht nur die Bedeutung der naturwissenschaftlichen Fächer im Ordenslehrplan, sondern in weiterer Folge auch die Auswirkungen für die Belebung der naturwissenschaftlichen Forschungen in der Residenzstadt berücksichtigt.
Aus zeitlichen und arbeitstechnischen Gründen konnten Quellen in ungarischen, slowakischen sowie rumänischen Archiven nicht miteinbezogen werden.
In der vorliegenden Arbeit ist beabsichtigt, den gegenwärtigen Forschungsstand zur Wiener Astronomiegeschichte in Wechselwirkung mit anderen astronomischen Forschungsstätten des Achtzehnten Jahrhunderts widerzuspiegeln. Sie versteht sich als Beitrag zu einem sehr heterogenen Forschungsfeld, das durch Quellenlage unterschiedlicher Qualität gekennzeichnet ist. Im Laufe der Arbeit hat sich der Arbeitsschwerpunkt mehr und mehr auf Hells wissenschaftliches Umfeld verlagert. Da ich in den Klöstern reichhaltige und noch nicht bekannte Quellen entdeckte, haben sich meine Untersuchungen auf astronomische Bestrebungen in den Klöstern konzentriert.
Mein Dank richtet sich an Univ.-Prof. Dr. Helmuth Grössing sowie an Univ.-Prof. Dr. Maria Gertrude Firneis, die im Rahmen meines Studiums das astronomiegeschichtliche Interesse in mir geweckt haben. Besonderen Dank möchte ich Univ.-Prof. Dr. Waltraud Heindl aussprechen, die mich zur Fertigstellung der vorliegenden Arbeit ermutigt hat. Dr. Margarethe Pärr sei für geduldiges Korrekturlesen, Dr. Sonja Reisner für die Formvollendung des Widmungstextes gedankt.

 

Folgender Artikel erschien in der "Wiener Zeitung" vom 01./02. August 2020

   
   
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