Band 9
Klösterliche Sammelpraxis in der Frühen Neuzeit

Herausgegeben von Georg Schrott und Manfred Knedlik


Rezension


 

Vom unscheinbaren Armarium für die liturgischen Bücher bis zur repräsentativen Schaubibliothek des Barock spannt sich der Rahmen, in dem Klöster Schriftgut gesammelt und aufbewahrt haben. Über diese ihre Kernkompetenz hat man auch vieles gehortet, was nicht gerade lebensnotwendig war, wenn man nur an den Reliquienkult denkt. In der Frühen Neuzeit aber wandelte sich das vorrangig religiös motivierte Sammeln zu einer eher profan ausgerichteten Kulturpraxis, die emsig fast alle denkbaren Naturalia, Artificialia oder Scientifica zusammentrug, sie in Galerien und Kabinetts wirkungsvoll präsentierte oder in Schatzkammern und Schatullen hütete. Wollte das fromme Barock noch die Wunder der Schöpfung anschaulich vermitteln, so wandte man sich im Zuge der Aufklärung zunehmend der rein wissenschaftlichen Bestandsaufnahme zu, die den Spezialisten unter den Gelehrten forderte und forderte. Insofern haben Kanoniker, Mönche und Nonnen bald vollen Anteil an der feudalen und bürgerlichen Sammelkultur, von der sie sich schließlich weder intentional noch inhaltlich unterscheiden. Revolutionen und Säkularisationen haben nur wenig überleben oder wieder aufleben lassen. Zwar gibt es zur Bibliotheksgeschichte der Klöster bereits viele und gründliche Studien. Sie konzentrieren sich aber durchweg auf die Bücher und übersehen, dass auch die übrige klösterliche Sammeltätigkeit aufs engste mit dem Bibliothekswesen verbunden ist.

So kommt beispielsweise ein Naturaliensammler nie ohne die entsprechenden Tafelwerke und Bestimmungsschlüssel aus. Sie erschließen ihm den Zugang zur Vielfalt der Natur, sie bilden die Grundlage für den Gedankenaustausch mit anderen. Die „Frage, ob die Besonderheiten der klösterlichen Lebensform zu eigenen Akzenten des Sammelns führten, die sich von denen weltlicher Sammler unterschieden“, erhebt sich freilich nicht nur hier, sondern auch in Bezug auf andere kulturelle Aktivitäten der Klöster wie Baukunst, Literatur und Musik bis hin zur Definition einer eigenständigen „Klostermedizin“. Dieser Sammelband wagt nun endlich den ersten Schritt zu einer Bestandsaufnahme. Mit seiner Einführung „Klösterliche Sammelpraxis in der Frühen Neuzeit“ gibt Mitherausgeber G. Schrott eine gut brauchbare Übersicht zu „Typologie, Geschichte, Funktionen und Deutungen“ (S. 7-71). Als konkretes Beispiel behandelt A. Schmidt die Beziehungen von Maximilian I. zu den bayerischen Klosterbibliotheken, was er vor allem am Prämonstratenserkloster Windberg erläutert (S. 73-88), dessen Handschriftenverzeichnis aus dem Jahre 1595 A. Kaindl vorstellt (S. 89-134). Mit Variar bei Coesfeld wird eine weitere Bibliothek dieses Ordens beschrieben (W. Frese, S. 135-182). Ein anderes, aber typisches Sammelgebiet eröffnet K. Schmuki mit dem „Raritäten- und Kuriositätenkabinett der barocken Klosterbibliothek von St. Gallen“ (S. 183-220). Das ernüchternde Urteil eines Besuchers: „Das Naturalienkabinett entsprach meiner Erwartung bey solch einem berühmten Stifte nicht ganz ...“, spiegelt eher den hohen Standard des damaligen Sammlungswesens, vor dem diese Kollektion eben nicht bestehen kann. „Die Kästen des ehemaligen Naturwissenschaftlichen Kabinetts in der Serviten-Kunstkammer in Innsbruck“ (H. Arnold, S. 221-239) bestätigen das sonst vorhandene Niveau. „Die Sammelpraxis des Prämonstratenser- stiftes Strahov am Ende des 18. Jahrhunderts im Spiegel der Annalen“ (H. Kuchafovä, S. 241-256) erinnert an die beneidenswert homogene Kulturszene quer durch das damalige Europa, deren hervorragende Träger nun einmal gerade die Stifte und Klöster gewesen sind. Als wesentliches Pendant zu Architektur und Literatur, Plastik und Malerei empfand der Barock den Gartenbau und seine Parkanlagen. An einem zisterziensischen Beispiel, dem des Klosters Neuzelle in der Niederlausitz, wird dies deutlich gemacht. A. Niemann untersucht nämlich die „Pflanzen und Gartenliteratur. Garten, Orangerie und Bibliothek“ dieser Abtei (S. 257- 323). Ergänzend dazu und stärker auf die wissenschaftlichen Aktivitäten der Mönche fokussiert ist der Beitrag von A. Kraml „Botanisches Sammeln in Kremsmünster. Vom Apothekergarten zur Verbreitungsdatenbank“, der mit der für manchen überraschenden Mitteilung aufwartet, dass auch heute noch anspruchsvolle naturwissenschaftliche Forschungen in Klöstern möglich sind (S. 325-362). Nicht immer gewürdigt wird, dass abgelegene Klöster in Kriegszeiten „als Kulturgüterschutzraum“ herhalten mussten, wie das Benediktinerkloster Engelberg im Zweiten Weltkrieg (R. de Kegel, S. 363-389). Nicht nur hier wollte man helfen, „Kulturgut vor Zerstörung und barbarischer Verschleuderung zu retten”. Das geschah vielerorts, im Rheinland beispielsweise im Kloster Marienstatt, das den großen Kölner Museen als Zuflucht diente (vgl. A. Kloth: Auslagerung rheinischer Kunstschätze nach Marienstatt. In: Marienstatter gesammelte Aufsätze, Bd. 2. Hachenburg 1966, S. 71-87). Um den Zugang zum Gesamtkomplex “Klösterliche Sammelpraxis“ zu erleichtern, hat G. Schrott eine Kunstschätze nach Marienstatt. In: Marienstatter gesammelte Aufsätze, Bd. 2. Hachenburg 1966, S. 71-87). Um den Zugang zum Gesamtkomplex “Klösterliche Sammelpraxis“ zu erleichtern, hat G. Schrott eine Auswahlbibliographie beigefugt, die freilich nur als ein erster Schritt zu verstehen ist (S. 391-407), für den man den beiden Herausgebern nicht genug danken kann, zumal sie ihre Arbeit außerberuflich erbringen als Amateure im Vollsinn des Wortes.

Hermann Josef Roth




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