Band 22
Karl-Friedrich Kemper
RELIGIÖSE SPRACHE ZWISCHEN BAROCK UND AUFKLÄRUNG
Katholische und protestantische Erbauungsliteratur des 18. Jahrhunderts in ihrem theologischen und frömmigkeitsgeschichtlichen Kontext

Rezension



 

Im 18. Jahrhundert gehörte die Erbauungsliteratur nach wie vor zu den Schriften, die am häufigsten in Deutschland verlegt wurden. Dies gilt sowohl für protestantische als auch vor allem für katholische Erbauungsschriften, die bei ihren jeweiligen Lesern eine nachhaltige Wirkung auf die Struktur ihrer Religiosität ausübten. Auch "Reformtheologen der Aufklärung sahen in modernen Erbauungsbüchern das gegebene Mittel der Volksaufklärung und Volksbildung" (S. 45). Bislang ist die Erbauungsliteratur des 18. Jahrhunderts allerdings nur in Ansätzen erforscht. Es ist daher sehr zu begrüßen, dass sich Karl-Friedrich Kemper in einer umfangreichen Studie, die im Jahre 2015 von der Philosophisch-Theologischen Hochschule SVD St. Augustin als Dissertation angenommen wurde, mit dieser Thematik beschäftigt und dabei eine Fülle bislang unbekannter Erbauungsschriften entdeckt hat. Zu Recht betont der Verfasser in seiner Arbeit, dass im 18. Jahrhundert in der Erbauungsliteratur zentrale Veränderungen vorgenommen wurden, um den durch das Denken der Aufklärung veränderten religiösen Bedürfnissen und Interessen gerecht zu werden. Um diesen Veränderungsprozess zu verdeutlichen, untersucht der Verfasser zunächst jeweils ein Erbauungsbuch eines Vertreters der katholischen Barockfrömmigkeit -hier bot sich aufgrund seiner herausragenden Bedeutung Martin von Cochem (1634-1712) an - und eins von einem Vertreter der protestantischen Barockfrömmigkeit. Der Verfasser hat hier Benjamin Schmolck (1672-1737) ausgewählt, der fest in den Glaubensüberzeugungen der Reformation verwurzelt war. Die Ergebnisse dieser Untersuchung vergleicht er dann mit zwei Erbauungsschriften aus der Spätaufklärung, die von dem reformierten Theologen Georg Joachim Zollikofer (1730-1788) und dem katholischen Theologen Johann Michael Sailer (1751-1832) verfasst wurden. Dabei untersucht der Verfasser nicht nur Veränderungen der Frömmigkeitsvorstellungen und ihrer Praxis, sondern auch Veränderungen des Wortschatzes der Erbauungsschriften. Veränderungen zwischen dem frühen 18. Jahrhundert und der Spätaufklärung zeigen sich u. a. in den christologischen Vorstellungen sowie im Gottes- und Menschenbild. War beispielsweise das vorherrschende Gottesbild von Martin von Cochem die Vorstellung von Gott als einem strengen Richter, so dominieren in der Spätaufklärung die Bilder von Gott der als Schöpfer alles zum Besten des Menschen eingerichtet hat" (S. 939) und der als liebender Vater sich um seine Kinder bemüht. Interessant sind auch die konfessionellen Vergleiche vor allem zwischen Martin von Cochem und Benjamin Schmolck. So ist die Gebetsrache des protestantischen Theologen im Gegensatz zu von Cochems Sprache stark von der Bibel geprägt. Die Untersuchung der Entwicklung von den barocken Erbauungsschriften zu den vom Geist der Aufklärung geprägten Schriften zeigt, :dass lange Zeit traditionelle und aufgeklärte Literatur nebeneinander existierte. Im Protestantismus hörten solche Nachdrucke um 1770 weitgehend auf. In der katholischen Kirche gab es dagegen solche traditionellen Nachdrucke auch "während der Blüte der katholischen Aufklärung" (S. 112). Kempers quellengesättigte Studie gibt wertvolle Denkanstöße, die das Verständnis für die Entwicklung der Erbauungsliteratur in Deutschland im 18. Jahrhundert fördern werden. Ein lesenswertes Buch.


Dirk Fleischer





   
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