Band 22 | ||
Karl-Friedrich Kemper RELIGIÖSE SPRACHE ZWISCHEN BAROCK UND AUFKLÄRUNG Katholische und protestantische Erbauungsliteratur des 18. Jahrhunderts in ihrem theologischen und frömmigkeitsgeschichtlichen Kontext
Rezension | ||
Die an der Philosophisch-Theologischen Hochschule SVD St. Augustin (PTH) mit "Summa cum laude" bewertete Dissertation "Religiöse Sprache zwischen Barock und Aufklärung" von Karl-Friedrich Kemper vergleicht katholische und protestantische Erbauungsliteratur des 18. Jahrhunderts in ihrer Entwicklung vom Barock zur Aufklärung. Sie füllt eine Forschungslücke, denn die christliche Erbauungsliteratur jener Epoche ist bislang wenig untersucht. Die Doktorarbeit ist jetzt in der Schriftenreihe "Religionsgeschichte der Frühen Neuzeit" des Verlages Traugott Bautz erschienen. "Die Entwicklung vom Barock zur Aufklärung ist besonders interessant weil die Menschen in dieser Zeit neue Fragen an ihren Glauben stellten", erläutert der Autor Dr. Kemper. Die aufklärerische Philosophie von Gottfried Wilhelm Leibniz und Christian Wolff, später auch von Immanuel Kant wurde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zunächst von protestantischen Theologen und dann auch von Vertretern der katholischen Aufklärung rezipiert. "In der religiösen Literatur der damaligen Zeit wollten die Theologen Antworten auf die neuen Entwicklungen geben. Wie diese Antworten aussehen und wie sie sprachlich umgesetzt werden, ist die Fragestellung meiner Dissertation", sagt Kemper. Religion und Glaube übersetzt in die neue Zeit Nach der Erkenntnis von Kemper waren die Herausforderungen für die Theologen beider Konfessionen denen der heutigen Zeit gar nicht so unähnlich: Ziel war es, den christlichen Glauben in einer zeitgemäßen Theologie und Sprache zu formulieren. "Wie kann ich heute verständlich über Gott reden, war die Frage, die die Autoren bewegte", so Kemper. Genauer untersuchte er vier Erbauungsbücher - jeweils ein katholisches und ein protestantisches des frühen sowie des späten 18. Jahrhunderts. Kemper analysierte die katholischen Autoren Martin von Cochem und Johann Michael Sailer sowie die Protestanten Benjamin Schmolck und Georg Joachim Zollikofer. Besonders der Wortschatz dieser Texte erlaubt Einblicke in Veränderungen religiöser Vorstellungen, Frömmigkeitshaltungen und metaphorischer Konzepte. Die aufgeklärten protestantischen Theologen kritisierten besonders die ausladende biblische Metaphorik der Pietisten, die Katholiken vor allem die Werkfrömmigkeit und eine ihrer Meinung nach überzogene Heiligenverehrung barocker Tradition. Nicht zuletzt für die reformorientierten Theologen der katholischen Aufklärung war die Erbauungsliteratur zwischen etwa 1780 und 1830 ein wichtiges Medium religiöser Volksaufklärung. Das Erbauungsbuch wurde zu einem umfassenden religiösen Handbuch, das dem Leser neben Gebeten auch Informationen über seinen Glauben und Hilfen zur Lebensführung bot. Im Zuge seiner Recherchen endeckte Kemper eine Reihe katholischer Aufklärungstheologen, die bislang als Verfasser von Erbauungsbüchern nicht wahrgenommen wurden. Kemper: "Man ging von etwa einem Dutzend katholischen Autoren aus, gefunden habe ich schließlich aber über 60." Besonders intensiv befasst sich Kemper mit dem "Lese- und Betbuch" (1783) des katholischen Theologen Sailer, das zu seiner Zeit sehr umstritten war. Das Werk wurde von dem bekannten protestantischen Theologen Johann Caspar Lavater unterstützt mit dem Sailer befreundet war. Konservative katholische Kreise warfen Sailers Buch mangelnde Rechtgläubigkeit vor. Der protestantische Aufklärer Friedrich Nicolai hingegen verdächtigte Sailer, er wolle Protestanten zum Katholizismus hinüberziehen. Dissertation erst nach der Pensionierung fertig gestellt Von der ersten Projektskizze bis zur Annahme der Dissertation dauerte es über vierzig Jahre. Dazwischen: Ein erfülltes Berufs- und Familienleben als Deutsch- und Religionslehrer, Ehemann und Vater von fünf Kindern. "Ich hatte die Promotion in Bonn nach dem ersten Staatsexamen angefangen, doch dann kamen Beruf und Familie, so dass ich sie damals nicht fortgeführt habe", erzählt Kemper. Beim Aufräumen seines Arbeitszimmers nach der Pensionierung fielen ihm seine alten Unterlagen wieder in die Hände. Das Interesse erwachte neu, das Thema noch einmal aufzugreifen. Ursprünglich geplant war eine Dissertation in Germanistik, aber auch damals schon mit interdisziplinärer Berücksichtigung theologischer Aspekte. "Im Laufe der Jahre hat sich mein persönliches Interesse aber von der Sprachgeschichte mehr zur Frömmigkeitsgeschichte hin verschoben", sagt Kemper. An der Philosophisch-Theologischen Hochschule SVD St. Augustin wurde die Arbeit von Prof. Dr. Eckhard Jaschinski SVD, Ordinarius für Liturgiewissenschaft und Homiletik, als Moderator betreut. | ||
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