Band 5 und Band 6

Johann Nikolaus von Hontheim -
Justinus Febronius abbreviatus et emendatus (1777)
Eingeleitet und herausgegeben
von Ulrich L. Lehner

Rezension


 

"Da die Erforschung der katholischen Aufklärung immer noch ein Stiefkind der Wissenschaft ist und keine institutionelle Bindung oder Unterstützung aufweisen kann" (Einleitung, S. LX) - die verschiedenen in Wolfenbüttel beheimateten Institutionen und Organe beispielsweise scheinen sich hier nicht recht zuständig zu fühlen -, ist die Forschung immer wieder auf Einzelinitiativen zu entsprechenden Projekten angewiesen. Erfreulicherweise tritt seit einigen Jahren die beim Verlag Traugott Bautz angesiedelte Reihe "Religionsgeschichte der Frühen Neuzeit" unter der Herausgeberschaft von Ulrich Lehner, Kirchenhistoriker an der Marquette University, Milwaukee, als derartige Initiative in Erscheinung.

Jüngste Produkte der Reihe sind die beiden hier anzuzeigenden Reprints. Nach einer in beiden Bänden identischen Einleitung werden zwei der Schriften des Trierer Weihbischofs Johann Nikolaus von Hontheim (1701-1790) wiedergegeben. Dass nicht sein Hauptwerk, der unter dem Pseudonym "Febronius" veröffentlichte Traktat "De Statu Ecclesiae" (1763) mit seinen vielen hundert Seiten zum Abdruck kam, ist, wie unumwunden zugegeben wird (S. LX), mit dem verlegerischen Risiko begründet.

In der Literatur wird Hontheim vor allem wegen seiner episkopalistischen Position wahrgenommen, in der dem Papst nur ein Ehrenvorrang unter den Bischöfen eingeräumt ist. Lehner würdigt darüber hinaus auch kritisch die Position des Weihbischofs zur Wiedervereinigung von katholischer und evangelischer Kirche sowie die Skepsis, mit der diese auf beiden Seiten aufgenommen wurde. Die 6o-seitige Einführung unter der Überschrift "Johann Nikolaus von Hontheim und sein Febronius" gibt zunächst als historischen Hintergrund einen Überblick über die Entwicklung vom Konziliarismus seit der Synode von Konstanz bis hin zur gallikanischen Variante des Episkopalismus. Es folgt eine Beschreibung der unmittelbaren zeitgenössischen Rezeption von Hontheims "De statu ecclesiae", eine Biographie des Verfassers und die Entstehungsgeschichte mit ihren verschiedenen Einflüssen auf den "Febronius", danach ein Inhaltsüberblick über "De statu ecclesiae" und über den systematischeren "Febronius abbreviatus", sodann eine Darstellung der weiteren Entwicklungen. 1778 schrieb Hontheim auf Drängen seines Bischofs einen Widerruf, den er 1781 mit dem "Commentarius in suam retractationem" erläuterte, ohne dabei aber seine konziliaristische Position zu revidieren.

Auch wenn der Febronianismus viele Anhänger in Europa fand, entwickelte er sich nicht zu einer geschlossenen und wirkungsvollen Bewegung. Hontheims Position nahm jedoch deutlichen Einfluss auf den Josephinismus. Außerdem initiierte sie eine heftige publizistische Auseinandersetzung, in der sich zahlreiche Kanonisten zu Standortbestimmungen veranlasst sahen. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an den Pollinger Chorherren Eusebius Amort, der in seinem an Kontroversen reichen Leben auch in den Streit um den Febronius verwickelt wurde, ja sogar den publizistischen Startschuss dazu gab: Um dem Vorwurf zu begegnen, er vertrete episkopalistische Tendenzen, verfasste er 1764 die erste Gegenschrift gegen "De statu ecclesiae" ("Epistola Justiniani Frobenii ... ad ... Justinum Febronium").

Vermeidbare Flüchtigkeitsfehler lassen erkennen, dass eine Lektorierung der beiden Bände durch den Verlag unterblieben ist. Die inhaltliche Qualität leidet darunter jedoch nicht. Die Reproduktion der Quellentexte steht den Vorlagen in ihrer typographischen Beschaffenheit erkennbar nahe, so dass der Nachdruck die Originale für die allermeisten Zwecke vollwertig ersetzt.


Georg Schrott, Sprockhövel
   
   
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