Goethe war ihm gar nicht grün
Ausstellung über Kieler Revolutionär und Professor Carl Friedrich Cramer
Er war ein streitbarer Geist, der sich auch nicht davor
scheute, sich mit seinem Zeitgenossen Goethe anzulegen. Kurzum: Carl Friedrich
Cramer, der einst an der Kieler Universität für allerlei Turbulenzen sorgte,
und der Dichterfürst waren sich nicht grün. Cramer zog es einst von Kiel
aus in die Welt, er war ein progressiver Kosmopolit und Vorkämpfer der europäischen
Idee. Weil der schillernde gebürtige Quedlinburger und spätere Kieler vor
250 Jahren geboren wurde, zeigt die Unibibliothek seit gestern eine Ausstellung
zum Thema "Carl Friedrich Cramer, Revolutionär, Professor und Buchhändler".
Organisiert wurde die Ausstellung mit insgesamt 150 unterschiedlichen Exponaten
von Dr. Rüdiger Schütt. "Cramer ist eine sympathische Figur. Er hatte sehr früh
sehr konkrete Ideale denen er Zeit Lebens treu geblieben ist", erklärt
Schütt die Faszination eines Mannes, der immer nach dem Neuen suchte,
der Avantgarde und mit vielen großen Denkern und Musikern seiner Zeit
in regem Kontakt stand. Auch diesen Schriftverkehr dokumentiert die Ausstellung
mit Briefen, Arbeitsauszügen, Tagebuchseiten und Publikationen des streitbaren
Revolutionärs. Der wurde 1775 nach Kiel berufen, wo Vater Johann Andreas
Cramer Kanzler der Universität war. Carl Friedrich Cramer, der unter anderem
Homiletik (die Geschichte der Predigt) lehrte, gehörte wohl nicht zu den
professoralen Publikumsmagneten. Im Schnitt kamen noch nicht mal zehn
Studenten zu seinen Vorlesungen, die er aber laut Schütt "mit einer Inbrunst
hielt, als habe er 150 Menschen vor sich". Cramer dachte gar nicht daran, sich nur auf eine Disziplin
zu beschränken. Der Autor, Übersetzer, Herausgeber und Redakteur war sein
Leben lang eng mit den Odendichter Friedrich Gottlieb Klopstock befreundet,
dessen Editor und Biograph er wurde. Klopstock war es, der aus Goethe
und Cramer zwei Streithähne machte. Weil Goethe über das Werk Klopstocks
gelästert und Cramer ihm daraufhin einer giftigen Brief geschrieben hatte,
hatte es sich Cramer endgültig mit dem Dichterfürsten verscherzt. "In
dem Brief nennt er Goethe den Übermütigsten der Übermütigen - das war
damals eine ausgesprochene Beleidigung", erklärt Schütt. Goethe wiederum
schrieb spöttische Verse, nannte Cramer den "Krämer". Sein Engagement für die Französische Revolution und die
Tatsache, dass er die Unibibliothek sowohl vom Buch-Angebot wie den Öffnungszeiten
für absolut rückständig hielt, waren der Grund, dass Cramer zuerst der
Uni und später der Stadt Kiel verwiesen wurde. In seiner neuen Wahlheimat
Paris dachte er aber nicht im mindesten daran, in Magazinen und anderen
Publikationen seine fortschrittlichen Meinungen für sich zu behalten.
Für Mozarts Widersacher Antonio Salieri, mit dem er auch in Briefkontakt
stand, übersetzte Cramer Opern; befreundet war er auch mit den Bach-Söhnen
Carl Philipp Emanuel und Wilhelm Friedemann. Cramer war auch Herausgeber
eines Musikmagazins und schrieb schließlich gemeinsam mit Mercier und
Pinkerton einen unterhaltsamen Reiseführer über Paris. 1807, während der
Arbeit, starb der Goethefeind und Avantgardistenfreund, der einst die
Landeshauptstadt verlassen musste und sich später von einem Lotteriegewinn
ein schönes Haus in Paris leisten konnte. Richtig berühmt wurde Cramer
nie. Schütt: "Vielleicht liegt es daran, dass er sich einfach mit zu vielen
Sachen beschäftigt hat."
"Der Anblick der Natur" Unerschöpflich und reich ist Hört wo ein Ohr des Gang Sieht wo ein Aug' ihn im
Und schweigend spricht!...
Ausschnitte aus einem
PM
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deine Fülle, Natur,
Unbelebter und lebender
Kinder Mutter, Du!
Schlägt auch ein Herz wo,
das steinern ist,
Dich verkennt und nicht Thränen weint?
des Unendlichen nicht
In der Donnerwolke? In dem
Lispel des Weltbachs?
In der Stimme des Quells, in
dem Liede
Der Gespielen meiner Leier?
Auge des Weibes nicht?
Im süßen Antlitz seiner
Geliebten nicht? -
Des Meisters Meisterstück!
die Seele
Die sich im lächelnden Bilde
bildet,
Gedicht anno 1777