Der aus dem Iran stammende Philosoph Hamid Reza Yousefi und die Trierer Germanistin Ina Braun legen mit dieser Monographie eine sehr beachtenswerte interdisziplinäre Studie vor, die aufgrund der aktuellen weltpolitischen Machtkonstellationen von hoher Brisanz ist.
Der Ausdruck "Achse des Bösen" geht auf den amerikanischen Präsidenten Ronald Reagen zurück. Er bezeichnete damit die Sowjetunion und alle Staaten, die dem Kommunismus zugeneigt waren. Nach dem Ende des Kalten Krieges benutzte die USA diesen Begriff weiterhin, wobei er nun neu umschrieben wurde. Präsident George W. Bush apostrophierte am 29. Januar 2002 Nordkorea, Iran und Irak als "Achse des Bösen". Der damalige iranische Präsident Seyyed M. Khatami wies diese Begriffsbildung zurück und forderte hingegen eine "Achse des Dialogs". Auch der Westen könne von der islamischen, der chinesischen und der indischen Kultur etwas lernen.
Eine zentrale Aufgabe dieser Studie liegt darin, duale Denkpraktiken, die ein System, ein Gebiet oder die ganze Welt unweigerlich in Gut und Böse, West und Ost, Wir und Ihr aufteilt, zu Gunsten eines interreligiösen Dialogs zurückzuweisen. Der Begriff "Achse des Bösen" entspringt einer solchen Weltsicht, in der sich das Böse an bestimmten Orten lokalisieren läßt, während zeitgleich das Gute an Gegenorten existiert, zu deren Bewohnern man selbst gehört. Die Autoren erbringen in ihrer differenzierten Untersuchung den Nachweis, dass das Denken in Achsenmaximen die Urform einer jeden Ideologie ist. Parallel zur "Achse des Bösen" ist von einer "Achse des Guten und der Demokraten" die Rede: Hier sind die "Christen", dort die "Moslems"; hier Kultur und Zivilisation, dort Fanatismus und Barbarei. Eine solche dogmatische Anthropologie manifestiert eine radikale Differenz zwischen eigentlichen und uneigentlichen Menschen; selbst dann, wenn dies nicht laut ausgesprochen wird.
Zum verzerrten Islambild in Europa und in den USA tragen nach der scharfsinnigen Analyse der Autoren insbesondere die Massenmedien, vor allem das Fernsehnen, bei. Als Beispiel werden die Journalisten Peter Scholl-Latour und Gerhard Konzelmann angeführt. Ohne entsprechende Ausbildung gelten sie als "Nahostexperten" und werden sogar als Berater von westlichen Regierungen herangezogen.
In sehr anschaulichen historischen Exkursen räumen die Verfasser mit manchen Vorurteilen gegenüber dem Islam auf. Der Begriff Djihad muss demnach in seiner ursprünglichen Bedeutung als "Mühe", "innerer Kampf" oder "Streben" aufgefasst werden. Lediglich von den Islamisten, die auf die Gründung der Moslembruderschaft in Ägypten im Jahre 1929 zurückgehen, wird Djihad als politischer Kampfbegriff verstanden. Extremistische Gruppierungen wie Hisbollah, "Islamischer Djihad" und "Al Quaida" benutzen diesen Terminus dementsprechend und verbinden damit das Ziel der Weltherrschaft des Islam. Eine gewaltorientierte Auslegung dieses religiösen Begriffs wird in der vorliegenden Studie als Instrumentalisierung bzw. Pervertierung eines eigentlich religiösen Inhalts entlarvt.
In einem kleinen Kreis von Gebildeten des Westens bestand immer eine Hochachtung vor der Kultur des Islam. Insbesondere wurden die Leistungen der Araber und Perser auf den Gebieten der Philosophie, Medizin und Astronomie gewürdigt. Aufschlussreich ist auch die Tatsache, dass Dante Alighieri in seiner Göttlichen Komödie die Philosophen Avicenna, Averroes und Sultan Saladin als einzige Muslime nur in die Vorhölle statt in die Hölle versetzt; der Prophet selbst aber findet im 28. Gesang seinen Platz in der Hölle.
Ein deutlich objektiveres Bild erfuhr der Islam durch Forscher und Schriftsteller der Aufklärung. Es entstanden in der westlichen Welt nunmehr Mohammed-Biographien und Übersetzungen des Korans, die sich um Objektivität bemühten. Eine besondere Wertschätzung erfuhr der Islam durch den Orientalisten Hermann Samuel Reimarus sowie die Schriftsteller Gotthold Ephraim Lessing und Friedrich Rückert. Letzterem gelang eine bis heute gültige Koran-Übersetzung, welche die arabeske und mystische Sprache dieser Heiligen Schrift sehr gut wiedergibt. Nach der Auffassung der Autoren haben in den letzten Jahren insbesondere die Orientalisten Annemarie Schimmel, eine ausgewiesene Sufi-Forscherin, und Adel Theodor Khoury, der vor allem die toleranten Strömungen des Islam herausgestellt hat, viele Vorurteile ausgeräumt.
Yousefi und Braun wollen keinen "Orientalismus-" und/oder "Okzidentalismus-Diskurs" betreiben, weil dadurch historische Schuldzuweisungen entstehen, die häufig subjektiv und apodiktisch sind, womit sie einem interreligiösen Dialog im Wege stehen.
Was aus dem Inneren des Islam selbst geleistet werden muß, so fordern die Verfasser zu Recht, ist eine kritisch-historische Auseinandersetzung mit der Heiligen Schrift sowie eine Rekontextualisierung seiner zentralen Lehren und Ideen. Dies ist ein Gebot der interreligiösen Orientierung im Dienste eines Friedens unter den Religionen, wie sie bereits Gustav Mensching vertreten hat.
Die eigene reflektierte Meinung für sinnvoll zu halten, muss nicht im Widerspruch dazu stehen, das Anderssein des Anderen anzuerkennen. Ein solcher interkultureller Ansatz, wie ihn der Philosoph Ram Adhar Mall erstmals ausführlich dargelegt hat, geht davon aus, dass es Überlappungen zwischen den Kulturen gibt, aber ebenso Differenzen, die für einen echten Dialog erhellend sein können. Ein solcher Ansatz setzt sich von dem Begriff der Transkulturalität ab, da dieser die Antwort schuldig bleibt, ob die transkulturelle Gesellschaft in der Vorstellung einer bestimmten Kulturkreises beheimatet sein kann. Die Verfechter einer "multikulturellen Gesellschaft" vertreten hingegen einen homogenisierten Kulturbegriff, der die Gefahr der Desintegration bzw. der Ghettoisierung in sich birgt.
Die heutige Rede von einem "Euro-Islam" in seiner positiven Gestalt muß aus dem Islam selbst herausgearbeitet werden. Ferner ist diese Diskussion auf der gleichen Ebene zu behandeln wie z.B. das indische oder das lateinamerikanische Christentum. Religionen sollten, so das Fazit der Autoren, ihre unverwechselbare Eigenart auch dann behalten, wenn sie unterschiedliche kulturell geprägte Adjektive erhalten: europäisch, indisch, afrikanisch etc. Dies gilt auch im Falle des Islam. Die Verfasser fordern abschließend, dass Religionen im Sinne einer "primären Religiosität" und im Interesse an einem Weltfrieden auf einen die Verständigung und die Kommunikation hemmenden Absolutheitsanspruch nach außen verzichten.