Hans Ulrich Funk

Johann Andreas Engelhardt

ein frühromantischer Orgelbauer und sein Wirken

Zeitungsbericht


Orgel-Experte entdeckt die zukunftsweisende Bedeutung der Engelhardt-Orgeln aus Herzberg

Fast drei Kilogramm wiegt das Wissen, das Hans-Ulrich Funk über den Orgelbauer Johann Andreas Engelhardt zusammengetragen hat

Im beschaulichen Herzberg mit Blick auf den romantischen Juessee wohnt er mit seiner Ehefrau Christel: Der 1947 in Glauchau in Sachsen geborene und vielen über unsere Region hinaus bekannte Hans-Ulrich Funk. 30 Jahre (von 1979 bis 2009) war er Kantor und Organist an der St. Nicolaikirche in Herzberg und Kreiskantor im damaligen Kirchenkreis Herzberg. Er will mir von seinem 2023 veröffentlichtem Buch erzählen, das auf dem Tisch im Wintergarten liegt. Als ich es in die Hand nehmen will, lächelt er: "Ja, es wiegt fast drei Kilogramm!" Der Titel des Buches: "Johann Andreas Engelhardt: Ein frühromantischer Orgelbauer und sein Wirken".

Wie kommt ein Orgelbauer nach Herzberg?

Aber zuerst möchte ich den Menschen Hans-Ulrich Funk etwas näher kennenlernen und herausfinden, warum sein Herz so für dies Thema brennt, denn es beschäftigt ihn schon, wie er mir erzählt, seit Jahrzehnten. Und während Funk eine Kerze anzündet, erzählt er: "Meine Eltern sind von Sachsen nach Berlin-Schöneberg übergesiedelt und ich bin dort 1953 eingeschult worden." Neben Blockflöte und Klavierunterricht erhielt er auch seinen ersten Orgelunterricht. "Das war an der Orgel der Heilandskirche in Berlin-Moabit." Schon damals habe die Orgel eine große Faszination auf ihn ausgeübt. Und so entstand der Wunsch, eine Orgelbaulehre zu machen. "Das war in Ludwigsburg. Von 1965 bis 1968. Während meiner Lehrzeit habe ich Kurse an der Orgelbau-Fachschule besucht und wurde auch im Metallpfeifenbau ausgebildet."

Während Funk erzählt, fällt mein Blick auf seine Hände: "Wie kommt es, dass Ihre Hände so weich wirken, wo Sie doch zum Teil mit harten Materialien wie Metall gearbeitet haben?" Funk lacht. "Ganz einfach: Es gibt ja Handschuhe!"
Und dann zeigt er mir seine neben dem Wohnhaus befindliche Werkstatt, die er 2015 einrichtete. Überall Orgelpfeifen in unterschiedlichsten Größen, die der Orgelbauer für verschiedene Orgelbauwerkstätten liebevoll restauriert. Über eine steile Holzstiege geht es hinauf in eine lichtdurchflutete zweite Werkstatt, auch mit Blick auf den Juessee.
"Wenn ich hier arbeite, kann ich das Fenster öffnen und mit vorbeigehenden Spaziergängern ein Schwätzchen halten", erzählt er. Ein Prachtstück - völlig unerwartet erblicke ich die stattliche Heimorgel, die bis unter den First reicht.

Vom Orgelbaugesellen zum Lehramtsstudenten und Kirchenmusiker

Während seiner Lehrzeit zum Orgelbauer erhielt er weiterführenden Orgelunterricht an der Ludwigsburger Stadtkirche. Nach seiner Gesellenzeit begann er 1973 ein Lehramtsstudium für Musik mit Hauptfach Klavier und Orgel sowie Werk- und Kunsterziehung. Sein Studium schloss er dann 1973 mit dem 1. Staatsexamen ab.
"Sind Sie denn in den Schuldienst gegangen?", will ich wissen. "Nein", erklärt Funk. "Ich habe 1973 einen Studienplatz an den Musikhochschulen Frankfurt am Main und Mainz bekommen und statt Lehrer zu werden, noch ein zweites Studium angehängt: fünf Jahre katholische Kirchenmusik. 1978 habe ich dann das A-Examen abgelegt."

Herzberg und seine große Denkmal-Orgel des 19. Jahrhunderts

Dann kam Hans-Ulrich Funk nach Herzberg. Von 1979 bis 2009 war er Kantor und Organist an St. Nicolai. "Hier gibt es die wunderbare Engelhardt-Orgel!" Funks Begeisterung ist nicht zu überhören. "Sie ist die größte niedersächsische Denkmalorgel aus der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts und gleichzeitig die größte erhaltene Engelhardt-Orgel, die 1843 bis 1845 von der in Herzberg ansässigen Orgelbaufirma Johann Andreas Engelhardt erbaut wurde. In dem Instrument klingt einerseits die Barockzeit nach, andererseits spürt man schon die Epoche der Romantik. Der Pfeifenbestand der Herzberger Engelhardt-Orgel ist fast vollständig erhalten."

Hans-Ulrich Funk begann, sich mit Orgeln aus der Werkstatt Engelhardts zu beschäftigen. Und dies unter verschiedenen Aspekten. Er studierte die klanglichen Möglichkeiten der Herzberger Orgel, präsentierte sie in Konzerten und ließ seine Erfahrungen in die Ausbildung junger Organisten einfließen. Als langjähriger Orgelsachverständiger der Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannover hatte er mit vielen anderen Orgeln von Engelhardt zu tun, konnte sie studieren, Quellen und Literatur auswerten und die Ergebnisse in seine Beratungen einfließen lassen. Als Orgelbauer beteiligte er sich an Orgelarbeiten und hat in den letzten Jahren solche Arbeiten auch selbständig durchgeführt. So ist auch Jörg Ehrenfeuchter, heutiger Kirchenkreiskantor im Kirchenkreis Harzer Land, ein von Funk ausgebildeter Orgelsachverständiger und, so Funk: "Ein würdiger Nachfolger".

Der Harz ist ein Paradies von Engelhardt Orgeln

Aus seinem Interesse an Engelhardt-Orgeln ist nun ein umfangreiches Kompendium entstanden, das 2023 im Bautz Verlag, Nordhausen unter dem Titel "Johann Andreas Engelhardt: Ein frühromantischer Orgelbauer und sein Wirken" erschienen ist. Darin stellt Funk die Ergebnisse seiner vielfältigen Beschäftigung mit den Engelhardt-Orgeln und ihrem Erbauer dar.

In seinem Vorwort erläutert Dr. Martin Balz, Orgel- und Glockensachverständiger der Landeskirche von Hessen und Nassau, dass die Forschung in den letzten Jahrzehnten eine Reihe von Orgelbaumonographien erstellt habe, an die Hans-Ulrich Funks Werk mit dem Orgelbauer Johann Andreas Engelhardt nun anschließt.

"Engelhardt war damals allenfalls als lokaler Kleinmeister bekannt und als veraltet angesehen", erläutert Balz. Hans-Ulrich Funk habe sich in die Qualitäten der Nicolai-Orgeln in Herzberg vertieft und erkannt, dass Engelhardt in seinem Fach weit mehr als einer der "Stillen im Lande" gewesen sei. In Wirklichkeit gehöre er zu den großen Könnern seiner Zeit, dessen zahlreich erhaltene Orgeln sorgfältige Betreuung verdienten. "Das Engelhardtsche Konzept", so Balz, "wie es die Herzberger Orgel als frühromantisches Werk realisiert, hat sich durch die Entwicklung im Orgelbau der vergangenen Jahrzehnte immer mehr als zukunftsweisend erwiesen."

Den Hauptteil des Buches von Hans-Ulrich Funk bilden Verzeichnis und Kurzbeschreibung aller bekannten rund einhundert Engelhardt-Orgeln, an deren Restaurierung der Autor mitwirkte. Das Werk ist aufwendig bebildert.

Funks Kompendium: Ein eindrucksvolles Nachschlagewerk

Jahrzehntelang hat sich Hans-Ulrich Funk mit dem Orgelbauer Engelhardt beschäftigt. Ihm ist es zu verdanken, dass die Qualität der Engelhardt-Orgeln in ihrer zukunftsweisenden Bedeutung nun Würdigung erfahren. Das Werk von Hans-Ulrich Funk ist somit für all jene ein unverzichtbares Nachschlagewerk, die sich in Zukunft mit Engelhardt-Orgeln beschäftigen.

Zwar ist Hans-Ulrich Funk seit 2009 im Ruhestand, doch bis heute ist er bei Intonationsarbeiten an vorwiegend historischen Orgeln beratend ein geschätzter Ansprechpartner. Und er wird weiter in seiner Herzberger Werkstatt Orgelpfeifen restaurieren und auch hin und wieder mit Spaziergängern am Juessee von seinem Werkstattfenster ein Schwätzchen halten.

Rita J. Sührig


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