Daniel Meis

Caroline von Schelling (1763-1809)

oder

Die Geschichte einer Frau, die ihrer Zeit weit voraus war

Rezension


Anders als Frau und Mann meinen, begann das, was wir heute als Feminismus bezeichnen, keineswegs erst mit den organisierten Frauenbewegungen um die Wende vom neunzehnten zum zwanzigsten Jahrhundert, sondern - jedenfalls im deutschsprachigen Bereich - bereits zur Zeit der Französischen Revolution. Also nicht nur mit der während der Revolution unter der Guilloutuine hingerichteten Olympe de Gouges, sondern mit den im beschaulichen Göttingen lebenden später so genannten „Universitätsmamsellen“, von Töchtern Göttinger Professoren, die - obwohl sie sie als Mädchen keineswegs förmlich einschreiben durften - an der dortigen Universität studierten. Es waren dies Philippine Engelhard (1756-1831); Caroline Schelling (1763 - 1809); Therese Huber (1764-1829); Meta-Forkel Liebeskind ( 1765-1853) sowie Dorothea Schlözer (1770- 1825). Einer von ihnen hat nun der Historiker Daniel Meis eine flüssig zu lesende, unterhaltsame Biographie gewidmet.

Caroline von Schelling, geborene Michaelis, war schon zu eigenen Lebzeiten die am weitesten Bekannte dieser „Universitätsmamsellen.“ Geboren 1763 heiratete sie mit schon zwanzig Jahren einen etwas älteren Jugendfreund, einen Arzt, - er versorgte Bergwerksarbeiter in Clausthal - mit dem sie bald eine Tochter hatte, einem Arzt, der nach nur vier Jahren der Ehe 1788 starb. Im Jahr der französischen Revolution, 1789, zog sie nach Marburg zu ihrem Bruder, einem Professor der Medizin, um 1792 im nach Mainz zu ziehen, einer Stadt, die sich im Zuge der napoleonischen Eroberungskriege 1793 dem revolutionären Frankreich anschloss. Damals hatte Caroline bereits eine Tochter. 1793 jedenfalls wurde sie von einem 19- jährigen französischen Leutnant geschwängert, mit dem sie in einer Ballnacht geschlafen hatte:– „einem“ nach ihren eigenen Worten: Kind der Glut und Nacht“. Als ehemalige Bürgerin des revolutionären Mainz wurde sie nach Verlassen der Stadt von preussischen Truppen festgenommen und im hessischen Taunus mit ihren Töchtern unter Hausarrest bzw.Festungshaft gestellt. Nachdem Freunde und Verwandte sich beim preussischen König für sie eingesetzt hatten, wurde sie von einem ihrer früheren Verehrer, Wilhelm Schlegel zunächst nach Leipzig gerettet - von einem Verehrer, der über sie schrieb: „Die Überlegenheit ihres Verstandes über den meinigen habe ich sehr frühe gefühlt. Es ist mir aber noch zu fremd zu unbegreiflich, daß eib Weyb so sein kann, als daß ich an ihre Offenheit, Freiheit von Kunst recht fest glauben dürfte.“

1794 zog Caroline mit ihrer inzwischen achtjährigen Tochter Auguste nach Gotha, um 1795 nach Braunschweig weiter zu ziehen, wo sie sich vor allem der Erziehung ihrer Tochter widmete, wie sie schrieb: „9-10 Clavier… ihr Kopf ist gelenkiger wie ihre Finger. Von 10-11 Französisch. Von 11-12 Zeichnen. Nach Tisch schreiben. Gegen Abend unterrichtende Lectur. Es wird eine ruhmwürdige Edukation werden.“ Schliesslich ging Caroline mit dem romantischen Autor August Wilhelm von Schlegel eine Vernunftehe ein, um 1796 mit ihm nach Jena umzuziehen, das sich damals zum Zentrum von Philosophie und Dichtkunst entwickelte mit Autoren wie Fichte, Schleiermacher , Hegel und eben: Schelling, sowie mit Tieck und Novalis. In Jena lernte sie nicht nur Goethe kennen, übersetzte sie nicht nur Shakespeare, sondern lernte auch den 1775 geborenen, aufstrebenden Philosophen Schelling kennen, den sie nach einer von Goethe arrangierten Scheidung von Schlegel im Jahre 1803 heiratete und nun selbst zur Schriftstellerin wurde. Freilich wurde die weithin bekannte Affäre durch viele Krankheiten Carolines gestört - Carolines und Schellings Liebe wurde nicht zuletzt durch den Tod von Carolines Tochter Auguste massiv beeinträchtigt. Nach vielen Reisen erreichten sie schliesslich 1806 mit Schelling die bayerische Hauptstadt München, wo der einstmals revolutionäre Schelling Professor und in den Adelsstand erhoben wurde - wodurch die ehemals revolutionäre Demokratin, die 1809 das Zeitliche segnete, eine der gesellschaftlichen Stützen der Restauration wurde.

Mit der vorliegenden, ebenso flüssig geschriebenen wie unterhaltsamen Biographie ist es dem Historiker Daniel Meis in vorbildlicher Weise gelungen, die Vorgeschichte der Frauenemanzipation in deutschsprachigen Ländern sowohl geistesgeschichtlich als auch sozialhistorisch an einem exemplarischen Fall zu verdeutlichen. Die etwa einhundert Seiten lange Studie ist nicht nur flüssig geschrieben, ohne durch gelehrte Anmerkungen im Lesefluss unterbrochen zu werden - wenngleich ein ebenso flüssig verfasstes Nachwort, umfänglich über wichtige Literatur zum Thema unterrichtet. M.a.W.: wer sich schnell und unterhaltsam über dieses erst jetzt so wichtige Kapitel menschlicher Emanzipationsgeschichte informieren will, ist mit der Lektüre von Daniel Meis „Caroline von Schelling“ bestens beraten.

Micha Brumlik


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