Ulrich-Dieter Oppitz

Das Meißner Rechtsbuch

Materialien zu einem erfolgreichen Rechtsbuch des 14. Jahrhunderts

Rezension


Die Fachliteratur, die das Meißner Rechtsbuch behandelt, wurde im Jahre 2022 um eine Monographie von Ulrich-Dieter Oppitz, einem Kenner der deutschen Rechtsbücher des Mittelalters und Herausgeber ihres Inventars, erweitert, der diesmal einige wenig bekannte, obwohl manche in der Vergangenheit bereits veröffentlichte Fakten und Ergebnisse seiner Forschung präsentierte. Er konzentrierte sich daneben auf den Vergleich der Struktur dieses Rechtsbuchs aufgrund der bisherigen, im Zeitraum 1836–2010 veröffentlichten Editionen.

Die vorliegende Monographie gliedert sich in 24 Kapitel, das letzte Kapitel umfasst ein Verzeichnis der vom Autor verwendeten Forschungsliteratur. Schon das erste Kapitel fesselt mit seinen Fakten zur Geschichte der Erforschung dieser Rechtsquelle, die eine Sammlung von Rechtsanweisungen, Ratschlägen und Vorschriften darstellt, die ab dem dritten Viertel des 14. Jahrhunderts das städtische Rechtsleben im Gebiet des sächsisch-magdeburgischen Rechts auf dem Territorium des heutigen Deutschland, Polen, Schlesien und von Teilen Böhmens und Mährens regelten. Überraschend ist für den Leser die Feststellung, dass sich die Rechtsgelehrten des 17. Jahrhunderts fast ausschließlich für den Sachsenspiegel, d. h. für das sächsische Land- und Lehnrecht, und für das sächsische Weichbildrecht interessierten, da sie diese Rechte als wichtige Quellen des späteren deutschen Rechts ansahen, während das Meißner Rechtsbuch (im Folgenden auch MRB) außerhalb ihres Interesses lag.

Erst in den folgenden Jahrhunderten wurde dieses Rechtsdokument Gegenstand der Forschung. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wandte sich Johann Peter von Ludewig dem Rechtsbuch zu, was das Interesse anderer Gelehrter weckte. Im Jahre 1836 nutzte Friedrich Ortloff, ein Professor für deutsches Privatrecht, das in der Universitätsbibliothek in Jena aufbewahrte Manuskript des MRB als Grundlage für seine Edition, und in den 1870er Jahren bereitete Johann Ehrenfried Böhme eine Edition des Meißner Rechtsbuches vor. U.-D. Oppitz erwähnt im ersten Kapitel seiner Monographie auch verschiedene frühere Bezeichnungen des MRB, beispielsweise der vermehrte Sachsenspiegel oder das Rechtsbuch nach Distinktionen, und stellt Wissenschaftler vor, die sich bei ihren Forschungen zum MRB von bestimmten Zielen leiten ließen, z. B. Hans Planitz, der sich im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts mit der Beziehung des MRB und des Rechtsbuchs der deutschen Stadt Zwickau befasste, konkret untersuchte er die Ähnlichkeiten in den Gerichtsordnungen und im Strafrecht. Quido Kisch, der im Jahre 1935 die Stadt Halle verließ und nach New York übersiedelte, suchte im MRB nach Informationen über die Geschichte des jüdischen Rechts. Oppitz erwähnt auch die in demselben Jahre von dem Prager Rechtshistoriker Wilhelm Weizsäcker begonnene Erforschung des MRB für die Monumenta Germaniae Historica (ehemals Gesellschaft für ältere deutsche Geschichtskunde).

Interessant und für den Leser bedrückend sind die Passagen, die Oppitz der wissenschaftlichen Arbeit des jungen, hoffnungsvollen Bonner Sprachwissenschaftlers Günther Ullrich widmet, der nach seiner im Jahre 1939 mit Erfolg abgeschlossenen Dissertation über das Zwickauer Rechtsbuch auf Empfehlung des Rechtshistorikers Karel August Eckhardt vorhatte, das Meißner Rechtsbuch als Thema seiner Habilitationsschrift zu untersuchen. Doch weder Ullrich noch Weizsäcker verwirklichten ihre Pläne – Weizsäcker verließ Prag im Mai 1945 und in Deutschland widmete er sich der Erforschung anderer Rechtsgebiete und Rechtsquellen, und Ullrich fiel an der östlichen Front.

Im ersten Kapitel informiert Oppitz auch über die bisher realisierten Untersuchungen, die bereits publizierten Editionen des MRB und die Editionen von dessen Teilen; angeführt sind beispielsweise der Reichenberger Mediävist Gerhard Eis, der sich auf die Analyse des Reimnachwortes zum MRB konzentrierte, weiter Gunhild Roth, die eine Edition des Leobschützer Rechtsbuches herausgab, und erwähnt ist auch die Edition des in der Stadt Olomouc verwendeten MRB.

Die nachfolgenden drei Kapitel (2–4) der Monographie von Oppitz befassen sich mit der Struktur der ausgewählten sechs Exemplare des Meißner Rechtsbuches aufgrund der in den Jahren 1772–1774, 1836, 1996, 2003, 2006 und 2010 herausgegebenen Editionen. Dem Leser stehen in den Kapiteln 2 und 3 tabellarische alphabetische und chronologische Übersichten der erhaltenen und verschwundenen Handschriften, Handschriftenauszüge und Fragmente des MRB zur Verfügung. Einen Beitrag zu neuen Erkenntnissen leisten die tabellarischen Angaben der Zugehörigkeit der Handschriften zu einer von drei Gruppen ihrer Struktur nach (Gruppen A, B, C). Erst der Tabelle in Kapitel 4 entnimmt der Leser eine Information darüber, dass eine von Oppitz selbst vorbereitete Edition des MRB in dieser Monographie veröffentlicht ist. Auch Kapitel 4 besteht lediglich aus einer tabellarischen Übersicht, in der die Unterschiede zwischen den genannten Editionen verglichen werden. Der Schluss dieses Kapitels, der die Ergebnisse des Vergleichs zusammenfassen oder präzisieren würde, fehlt leider.

Im fünften, ausführlichen Kapitel werden Subthemen nach Schlüsselwörtern in den untersuchten Editionen des MRB festgestellt, kommentiert und in Bezug auf das Vorkommen in anderen Rechtsdokumenten wie dem Sachsenspiegel und den Goslarer Statuten behandelt. Die Struktur der Handschriften ist Gegenstand auch des sechsten, sehr kurzen Kapitels, in dem die Anzahl der Bestandteile des MRB, der sog. „Bücher“ und der Distinktionen, in die das MRB eingeteilt war, verglichen wird, – es waren Exemplare entweder mit fünf, sechs oder sieben Büchern, und die Zugehörigkeit der Handschriften zu diesen drei Gruppen wird in der Monographie von Oppitz klar angegeben.

Es folgen drei Kapitel (7–9), in denen drei Studien von anderen Autoren als U.-D. Oppitz abgedruckt sind. Zwei davon wurden in den Jahren 1940 und 1941 von dem bereits erwähnten Günther Ullrich verfasst und veröffentlicht – die erste Studie Zu den Quellen des Meißner Rechtsbuches ist den Quellen gewidmet, die als Ausgangspunkte des MRB dienten; die zweite Studie trägt den Titel Zur Geschichte des Meißner Rechtsbuches. Oppitz kommentiert die abgedruckten Texte nicht und arbeitet nicht weiter mit ihnen. Der Autor der dritten Studie zum Thema Untersuchungen der Sprachheimat der Wolfenbütteler Handschrift (S. 104–107) ist Horst Weber. Es bleibt jedoch für den Leser ein Rätsel, ob diese Studie in der Vergangenheit veröffentlicht wurde oder ob sie von Horst Weber für die vorliegende Monographie vorbereitet wurde, da Oppitz auch in diesem Fall die Aufnahme der Studie in seine Monographie weder kommentiert noch erklärt.

Kapitel 10 und 11 widmen sich der von Oppitz edierten Handschrift des MRB aus dem Jahre 1446, wobei in Kapitel 10 der Einband dieser Handschrift einschließlich einer Beschreibung der Motivstempel erwähnt und in Kapitel 11 die Edition der Handschrift (fol. 1r-120r) abgedruckt wird. Es folgen Kapitel 12–14, die sich wiederum mit allen je edierten Handschriften befassen bzw. mit jenen Handschriften, die einige der von Oppitz in den Kapiteln besprochenen Erscheinungen aufweisen, nämlich das gereimte Nachwort, zusätzliche oder erweiterte Artikel und Informationen über Münzangelegenheiten.

Die Eigennamen in der von Oppitz erstellten Edition werden in Kapitel 15 mit den Eigennamen in dem in Olmütz verwendeten MRB tabellarisch verglichen. Auch diesem Vergleich wird keine Schlussfolgerung beigefügt, so dass sich der Leser immer wieder fragt, was der Autor mit diesem Vergleich beabsichtigte. Eine ähnliche Frage stellt sich bei der Lektüre der Seiten in Kapitel 16 (S. 350–491); dieses Kapitel enthält ein Register mit allen Wörtern, die in der von Oppitz edierten Handschrift vorkommen. Auch die Tabelle mit den im MRB vorkommenden Syntagmen (Kapitel 17) ruft beim Leser manche Fragen hervor. Es handelt sich um eine bunte Mischung aus verschiedenen syntaktischen Kombinationen, deshalb stellt sich die Frage, ob es nicht besser wäre, sich beispielsweise auf Rechtsbegriffe (wie erhafte not, frische tat, gehegte bank) oder Phraseme (hals ken halz) zu konzentrieren und aus deren Vorkommen im MRB einige Schlüsse zu ziehen.

Mit dem Vorkommen von Tierbezeichnungen im MRB im Vergleich mit dem Sachsenspiegel und dem Goslarer Stadtrecht bzw. mit anderen Quellen befasst sich Kapitel 18, es folgen das gedruckte Remissorium zum Meißner Rechtsbuch (S. 502–570), ein Wortregister zum Remissorium (S. 571–621) und ein Kapitel zu Informationen über das Lehnrecht in den Distinktionen, das eher zu den Kapiteln passen würde, die das Vorkommen verschiedener Subthemen im MRB, wie z. B. Tiere, behandeln. Oppitz führte auch andere Rechtshandschriften an, in denen die übernommenen Textteile aus dem MRB zu finden sind (sog. mittelbare Überlieferungen), z. B. das Elbinger Rechtsbuch, das Posener Rechtsbuch oder das Ältere Eisenacher Rechtsbuch.

Das vorletzte Kapitel stellt einen interessanten Vergleich der ausgewählten Passagen im MRB und im Rechtsabecedar der 2200 Artikel dar. Anhand von neun Beispielen belegt Oppitz die Bedeutung der Distinktionen im Rechtsabecedar für die Herausgabe einer kritischen Edition.

Das besprochene Buch stellt die Ergebnisse der zeitaufwendigen Untersuchung des MRB unter verschiedenen Aspekten dar. Ulrich-Dieter Oppitz hat sein intensives langjähriges Interesse und seine große Leidenschaft für die Erforschung dieser Quelle bewiesen. Wertvoll in dem Buch sind einige seiner kritischen Anmerkungen zu den bestehenden Editionen des MRB. Da jedoch eine Einleitung zum Buch fehlt, ist nicht ganz klar, was die eigentliche Absicht des Autors war – ob er nur auf bestimmte Fakten hinweisen wollte oder ob er andere Ziele verfolgte. Es ist schade, dass er sich keine Gedanken über die Reihenfolge der Kapitel im Buch gemacht hat, dass er nicht versucht hat, seine Vergleiche zu kommentieren und dass er sich auf Vergleiche in Form von Tabellen beschränkt hat, deren Erstellung sicherlich eine mühsame Angelegenheit war; da sie jedoch von keinem Kommentar begleitet werden, ist ihr Informationswert eher gering. Der Autor hätte neue Einsichten in dieses wichtige Dokument des sächsisch-magdeburgischen Rechts bringen können, dessen Bedeutung bisher nicht voll geschätzt wurde. Ein kleinerer Kritikpunkt betrifft das fehlende Korrekturlesen der tschechischen Buchtitel im Literaturverzeichnis und die häufige Verwechslung von Bindestrichen und Gedankenstrichen im gesamten Text.

Trotz dieser kritischen Bemerkungen ist das Buch insbesondere Rechtshistorikern zu empfehlen, die sich für die Geschichte des sächsisch-magdeburgischen Rechtskreises interessieren oder sich mit der Entwicklung der Stadtverwaltung und des Stadtlebens im pätmittelalter befassen.

Libuše Spácilová


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