Anna Jani - Balázs M. Mezei (Hg.)

FIDES ET RATIO IM KONTEXT:

THEOLOGISCHE UND PHILOSOPHISCHE ANNÄHERUNGEN

Rezension


Der von Anna Jani und Balázs M. Mezei herausgegebene Band versammelt die Beiträge der Teilnehmer der internationalen Konferenz in Budapest, die vom 24. bis 26. September 2018 an der Katholischen Universität Péter Pázmany stattfand. Die Konferenz wurde anlässlich des zwanzigjährigen Jubiläums der Veröffentlichung der Enzyklika Fides et ratio und der Heiligsprechung der hl. Theresa Bendicta vom Kreuz veranstaltet.

Die Herausgeber verfolgen in ihrem Band vier Anliegen, die sich in vier Gliederungsteilen widerspiegeln: erstens, einen soliden Überblick über die philosophischen und theologischen Grundlagen der Enzyklika zu geben; zweitens, das Dokument entweder im kirchenrechtlichen oder im politischen Kontext der Moderne auszulegen; drittens: "die nach der Kontinentalphilosophie und Phänomenologie, sowie der Theologie gestellten Fragen in der Richtung von Glauben und Vernunft" (S.11) zur erarbeiten; viertens, eine Verteifung des Beitrags von Edith Stein zum Thema Glaube und Vernunft vorzunehmen. Wie die Herausgeber im Vorwort beleuchten: "in diesen Sinn eröiffnet sich der Band mit dem speziellen Fokus auf die päpstliche Enzyklika und deren Einfluss auf das theologische Denken des 20. Jahrhunderts, das in den weiteren Kapiteln in unterschiedlichen geistigen Dimensionen interpretiert wird, bis hin zu dem direkten Vorschlag Edith Steins, der den Sinn und die Möglichkeit der Christlichen Philosophie in ihrer Synthesis findet" (S. 11).

lm ersten Teil werden drei grundlegende Themen der Enzyklika verfasst: die Aufgabe der Philosophie in unserer Zeit, die Bedeutung der theologischen Anthropologie und die Notwendigkeit, die Metaphysik wiederzugewinnen. Das erste Thema wird von Balázs M. Mezei und Mátyás Szalay behandelt. Mezei hebt hervor, wie in "Fides et ratio" die Philosophie mit der göttlichen Offenbarung verbunden ist und schlägt einen neuen Zugang zu einem philosophisch verstandenen Offenbarungsbegriff vor, der von einer neuen Idee des sensus populi aus aufgefasst wird. Szalay verdeutlicht die Beziehung zwischen der prophetischen Vision des Fides et ratio und den zeitgenössischen Forderungen der Erneuerung der christlichen Philosophie, indem er zwei wesentliche Aspekte aufzeigt, die im philosophari in Maria enthalten sind: einen radikalen Logozentrismus und die Notwendigkeit, realistisch und gehorsam kreativ zu werden. Diese Eigenschaften ermöglichen es der Vernunft, ihre Solipsismen zu überwinden und mutig zur Wahrheit zu gelangen. Christof Betschart und Agnieszka Lekka-Kowalik bringen uns das anthropologisch-theologische Thema näher. Betschart meint, dass - in "Fides et ratio" und nach Edith Stein - eine interdisziplinär strukturierte theologische Anthropologie vorgeschlagen wird, in der Philosophie und Theologie eng miteinander verflochten sind. In diesem Vorschlag geht man von der Christologie aus und kehrt zur Anthropologie zurück. Auf diese Weise werden die Grenzen der Ansätze von "Gaudium et spes" überwunden, in denen man entweder von der Anthropologie ausgeht, um als Höhepunkt zur Christologie zu gelangen, oder die Anthropologie innerhalb der Christologie untersucht. Lekka-Kowalik argumentiert, dass es eine gemeinsame Antwort von Glauben und Vernunft gibt, die in der Enzyklika umrissen wird, auf die Frage, wer bin ich. Schließlich vertiefen Michael Wladika und Gábor Ambrus das dritte Thema: die Notwendigkeit, wieder zur Metaphysik zurückzukommen. Während Wladika dies tut, indem er sich mit dem christlichen Neuplatonismus befasst, greift Ambrus auf einen hermeneutischen Ansatz zurück, um in der Enzyklika unerforschte metaphysische Möglichkeiten aufzuzeigen.

Der zweite Teil, in dem die Themen der Moderne durchdrungen werden, geht den einschlägigen kirchenrechtlichen und politischen Perspektiven nach und verschafft den Lesern einen guten Überblick. In diesem Zusammenhang erarbeitet Szabolcs Anzelm Szuromi eine Kritik an Hans Kelsens Werk, in der Moral und Recht getrennt werden, ausgehend von den Säulen der christlichen Rechtsphilosophie: Theologie, Recht und Kirchenrecht. László Gájer untersucht das Denken von Felicité de Lamennais, Alexis de Tocqueville und John Acton. Obwohl sie voreingenommene lnterpretationen des katholischen Glaubens vertreten und ihre Diagnosen nicht immer streng oder angemessen sind, weil sie den Glauben nur wegen seiner politischen Wirkung verstehen, ist Gájer der Ansicht, dass seine besondere Methode immer noch einige interessante Aspekte des Glaubens und des Katholizismus im insbesondere aufzeigen kann, wenn wir das Verhältnis zwischen Katholizismus und dem politischen Liberalismus des 19.Jahrhunderts untersuchen (Cf. S. 131). Grzegorz Holub befasst sich seinerseits mit vielen wichtigen und komplizierten Aspekten des Human Enhancement (Überwindung der menschlichen Limitierungen durch technisch-medizinische Möglichkleiten), die von vielen Stimmen der Philosophie und der Bioethik behauptet werden. Ziel seines Beitrags ist es, die Frage zu beantworten, ob dieses Problem etwas mit Religion zu tun hat und, wenn die Antwort positiv ist, welche Art von Religion ins Spiel kommt. Rocco Buttiglione identifiziert den Rationalismus als das Problem der Moderne. Er erklärt die Reaktion der Postmodernisten, um darauf hinzuweisen, dass "Fides et ratio" gerade eine nicht-rationalistische Vernunft verteidigt. Aus diesem Grund bittet Johannes Paul II., den Mut zum Denken zu haben, da dieser Mut im Übergang von der Moderne zur Postmoderne verloren gegangen ist. Holger Zaborowski entlarvt das Denken von Jürgen Habermas und das von Max Weber, um das für unsere Zeit charakteristische Verhältnis von Moderne und Säkularismus zu erklären. Schließlich reflektiert Hanna-Barbara Gerl-Falkovitz die Beweggründe des Glaubens anhand der Überlegungen Benedikts XVI. in seinem Pontifikat.

lm dritten Teil untersucht ltsván M. Fehér die lmplikationen, die die Bedeutung von Stimmungen und Gefühlen in der Theologie als Folge der anthropologischen Wende im 20. Jahrhundert hat. Gergely Bakos forscht die Verbindungspunkte zwischen Nicolas de Cusa (1401 -1464) und dem zeitgenössischen phänomenologischen Denken, wobei er sich insbesondere auf das Werk "ldiota de sapientia" konzentriert, und die Bedeutung des Geschmacks als zentrale theologische Metapher hervorhebt. Kristián Vincze bringt uns die Religionsphilosophie von Bernhard Welte (1906-1983) näher, in der "die Theologie sich von der Philosophie berühren lassen müsse, um zu einer Theologie werden zu können, die sich mit dem Zeitgeist verständigen kann" (S. 229). Attila Puskás zeigt uns das Verhältnis von Philosophie und Theologie nach Hans Urs von Balthasar. Schließlich spricht Franz-Xaver Heibl über die Phänomenologie des Glaubens aus den Texten des hI. Bonaventura, Romano Guardini und Joseph Ratzinger.

Der letzte Teil des Bandes versammelt die spezifischen lnterventionen zur Steinschen Philosophie. So analysiert Beate Beckmann-Zöller die "Rationalität des Menschen und seine Empfänglichkeit für die religiösen Erlebnisse von Wiedergeburt und Gaben des Heiligen Geistes bei Edith Stein" (S. 293). Peter Volek illustriert das Verhältnis von Glauben und Vernunft im zweiten und dritten Lebensabschnitt von Edith Stein und verteidigt die These, dass Stein ein augustinisches Verständnis der christlichen Philosophie vertritt. Anna Jani untersucht "ob Edith Steins Denkweg perspektivisch als die Erfüllung der Enzyklika Fides et ratio betrachtet werden kann" (S. 329). Deshalb reflektiert sie "unter zwei Aspekten auf das Zusammenwirken der päpstlichen Enzyklika und Edith Steins Gedankengang [... ]. Zum einen sind diejenigen methodologischen Überlegungen interessant, die das Problemfeld der christlichen Philosophie von beiden Seiten charakterisieren, und zum anderen verdeutlicht der denkerische Weg Edith Steins im Licht der christlichen Philosophie ihre Idee der christlichen Philosophie vom Anbeginn ihrer philosophischen Studien" (S. 330).

Wir schätzen die wertvollen Beiträge der Autoren und insbesondere das Engagement der Herausgeber, dieses Werk der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Miriam Ramos Gómez


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