Wolfgang Pfüller

GOTT WEITER DENKEN

Stationen interreligiöser Theologie

Rezension


Der von unserem Vorstandsmitglied, Dr. habil. Wolfgang Pfüller vorgelegte Band enthält zehn Vorträge bzw Aufsätze aus den Jahren 2014 bis 2019, von denen zwei erstmals publiziert werden, während acht bereits veröffentlicht worden sind. (meist innerhalb der Tagungsbände des Bundes für Freies Christentum).

Nach Vorwort und Einführung ist das Buch in vier Kapitel untergliedert: "Interreligiöse Problemlagen" (S. 17-75), "Interreligiöse Gottesvorstellungen" (S. 77-183), "Interreligiöse Bewertungen" (S. 185-277) und "Religiöse Deutung von Musik" (S. 281-337). Abgerundet wird der Band durch ein Personenregister. Im Folgenden werde ich mich auf diejenigen Beiträge konzentrieren, die nicht in den Tagungsbänden erschienen sind.

Was den Buchtitel betrifft, zieht der Autor es zwar vor, um der interreligiösen Offenheit willen von der "göttlichen Wirklichkeit" zu reden, hat aber hier dennoch das Wort "Gott" als gängigen Begriff verwendet. Ansonsten bringt der Buchtitel das theologische Anliegen zum Ausdruck, dass die göttliche Wirklichkeit "immer erneut in einem weiteren Horizont gedacht werden" muss, "und zwar durch interreligiöse Vergleiche wie durch aktuelle, auch atheistische Herausforderungen" (S. 9).

In Auseinandersetzung mit dem Neuen Atheismus macht Pfüller zu Recht geltend, dass das Wesentliche einer Religion nicht allein in ihren Anfängen zu suchen ist, sondern sich auch eine Weiterentwicklung zu besserer Einsicht ausmachen lässt, wie dies im liberalen Protestantismus zu erkennen ist (5. 104).

In seinen beiden für dieses Buch geschriebenen Aufsätzen "Von der Fragwürdigkeit des Schöpfungsgedankens" (S. 119-148) und "Theodizee und Willensfreiheit" (S. 149-183) geht Pfüller über die im freien Christentum weithin geteilte Forderung hinaus, man müsse sich von einem allzu menschlich gedachten personalen Gottesverständnis verabschieden (S. 113), wenn er hier den Gedanken eines allmächtigen Schöpfergottes in Frage stellt. Dies wird damit begründet, dass ein allmächtiger und allgütiger Schöpfergott kaum mit dem "übermäßigen Leiden in der von ihm geschaffenen Welt" vereinbar sei (S. 12; vgl. S. 126 u. 155). Deshalb plädiert Pfüller dafür, die göttliche Wirklichkeit nicht mehr als Schöpfer, sondern "ausschließlich als Heilsmacht" zu verstehen (S. 182 f.). Als Problemanzeige sei die Frage aufgeworfen, ob damit nicht in einer gewissen Weise einer "Neuauflage" der Gnosis das Wort geredet wird.

Während Pfüller mit überzeugenden Gründen die Fragestellung, ob Mohammed aus christlicher Sicht als Prophet anerkannt werden sollte, als veraltet zurückweist (S. 187-211), hält er es für sinnvoll, zwischen Jesus und Mohammed einen kritischen Vergleich durchzuführen (S. 213-244) - und zwar im Sinne einer historisch fundierten idealtypischen Rekonstruktion (s. besonders S. 234-238). Vgl. dazu als Realisierung dieses Ansatzes Pfüllers Untersuchung: Sieger und Verlierer Mohammed und Jesus. Ein kritischer Vergleich, Nordhausen 2016 (Besprechung in: Freies Christentum 5/2016, S. 135-138). Seinen Ausführungen zur Bedeutung der historischen Rückfrage nach Jesus und Mohammed kann ich voll und ganz zustimmen: "Die historische Forschung dient nicht irgendwelchen theologischen Anliegen oder religiösen Interessen. Sie will vielmehr historische Fragen beantworten bzw. Probleme klären, gleichviel was die Theologie oder auch die Religion damit anfangen kann. Deshalb geht es auch nicht an, die historische Forschung aus religiösen oder theologischen Interessen zu beschneiden oder gar zurückzuweisen." (S. 226f.)

Es ist zu wünschen, dass Wolfgang Pfüller mit seiner im Vorwort geäußerten Skepsis nicht Recht behält, sein Buch werde "nur von wenigen gelesen werden, zumal es die philosophischen und theologischen Meinungsführerinnen [ ... ] in gewohnter Weise souverän ignorieren werden" (S. 7), Vielmehr hoffe ich, dass es viele interessierte Leserinnen und Leser findet, die sich durch dessen innovativen und provokativen Inhalte zu eingehenden und weiterführenden Diskussionen herausfordern lassen.

Prof. Dr. Werner Zager


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