Die Phänomenologie der Einfühlung nach Edith Stein und die Phänomenologie des Blicks nach Jean-Paul Sartre bilden zwei zueinander versetzte philosophische Ansätze, die das von Edmund Husserl thematisierte Problem des Anderen auf je eigene Weise fortgeschrieben haben. Das Buch von Marius Sitsch widmet sich der Aufgabe, diese zwei unterschiedlichen Gegebenheitsweisen des Anderen, die sich im Ausgang von Husserls Phänomenologie der Intersubjektivität verzweigt haben, miteinander zu konfrontieren und füreinander fruchtbar zu machen. Der Autor unternimmt dabei nicht nur den Versuch, Sartre und Stein als Gegenstücke zu betrachten, sondern läßt sie in einen Dialog eintreten. Ein solcher Dialog, der über die grundsätzliche Unvereinbarkeit beider Gegebenheitsweisen hinausweist und ihre Komplementarität aufzeigt, vermag zu belegen, dass sich die Rezeption durch ein Gegenlesen beider Entwürfe erweitern oder zumindest schärfen lässt.
Die dabei zutage tretende produktive Spannung in den jeweiligen Ansätzen kulminiert in der Gegenüberstellung der Liebesbegriffe beider Autoren. Das Scheitern der Liebe bei Sartre führt in die Erfahrung der Einsamkeit, welche wiederum die Einsamkeit, als grundlegende Bedingung der Möglichkeit überhaupt, mit einem Anderen in Beziehung treten zu können, enthüllt. Diesem Scheitern wird die Möglichkeit der Liebe bei Stein entgegengehalten. Im Ausgang von der parallelen Lesart beider Gegebenheitsweisen zeigt sich, wie ein Überschreiten der Einsamkeit hin zu einer Liebe als Beziehung gleichursprünglicher Partner möglich ist.
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