Irmgard Gehle

Der Benediktiner Ansgar Pöllmann unterwegs

aus dem Kloster in die Welt der Kunst und Literatur

auf der Suche nach schöner Dichtung,

nach hieratischer Kunst, nach Kolportage – bei Karl May

Rezension


Nicht alle geistlichen Herren waren May gegenüber so positiv eingestellt wie Hermann Wohlgschaft. Der Benediktiner Ansgar Pöllmann etwa zählte sogar zu seinen schärfsten Kritikern und wurde von anders disponierten Lesern gelegentlich mit abwertenden Kommentaren bedacht, wie sie sich sonst nur zu Rudolf Lebius finden, dem Gottseibeiuns vieler May-Freunde. Schon Euchar Albrecht Schmid hat sich mit dieser Tendenz geäußert, und so stehen denn auch seine aggressiven Bemerkungen über Pöllmann am Anfang eines Buches, dessen Ziel es demgegenüber ist, "der Person P. Ansgars gerecht zu werden" (S. 10). Der Verfasserin erscheint dies umso notwendiger, als Pöllmann selbst an seiner frühren Wirkungsstätte unangemessen behandelt wird: Sie "erfuhr bei einer Führung durch die Beuroner Kirche im Jahr 2013, bei der Nachfrage nach dem 'Kunstexperten' Pölimann, eine eher abwertende Reaktion, dergestalt, dass man diesen ehemaligen Mitbruders [sic] nicht für erwähnenswert halte" (S. 9). Es geht, wie der lange Titel des Werkes verrät, nicht darum, den Menschen Pölimann hinsicht1ich der Einzelheiten seines manchmal etwas verwirrend anmutenden Lebenswegs zu würdigen; stattdessen sollen seine kulturkritischen Arbeiten inspiziert und, speziell im Blick auf May, vom unverdienten Ruch billigster Polemik befreit werden.

Um dies zu erreichen, setzt die Verfasserin zwei Schwerpunkte: Zum einen dokumentiert sie die Breite der kulturellen Interessen Pöllmanns und der daraus hervorgehenden Publikationen, zum anderen ordnet sie seine Arbeiten in die damaligen zeitgeschichtlichen Zusammenhänge ein, die von heutigen Lesern oft übersehen werden.

Tatsächlich war Pölimann, auch wenn er inzwischen fast nur noch wegen seiner Anti-May-Schriften bekannt ist, ein vielfältig engagierter und hochgebildeter Autor. Er betätigte sich "als Übersetzer lateinischer oder mittelhochdeutscher Texte, Gedichte und Bühnenstücke" (S. 49), war Herausgeber einer Zeitschrift für religiöse Dichtkunst, verfasste kunsthistorische Arbeiten, erstellte "ein Verzeichnis des Hallenberger Stadtarchivs" (S. 373) und betätigte sich als Lyriker, wobei er zu Beginn des Ersten Weltkriegs auch "kriegsverherrlichende, nationalistische Gedichte" (S. 267) produzierte - eine Aktivität, die man auch bei heute renommierteren Dichtern seiner Zeit findet. Den Vorwurf eines viel zu engen Gesichtsfeldes kann man gegen Pöllmami also wohl kaum erheben. Sein Interesse galt der Vergangenheit ebenso wie der Einflussnahme auf die Kultur der Gegenwart.

Der Titel seiner Zeitschrift war 'Gottesminne', und darin deutet sich schon an, dass Pölimann diese vielen Arbeiten allerdings stets in der Orientierung an einem religiösen Leitgedanken erledigte: Es ging ihm darum, die katholische Literatur und Kultur seiner Zeit zu fördern und auf ein hohes Niveau zu bringen, und dabei sollten ihm konstruktiv auswertbare Erfahrungen mit der Geschichte ebenso helfen wie die notfalls auch heftige Kritik an aktuellen Erscheinungen von dubioser Qualität. Die Verfasserin konstatiert, im Gefolge der Benachteiligung der katholischen Kirche im Kulturkampf" habe sich "für die katholische Literatur die kulturelle Inferiorität ergeben" (S. 21), die damals auch noch etliche andere ambitionierte Katholiken zu bekämpfen versuchten. In diesem Sinne engagierte sich beispielsweise ab 1903 Karl Muth mit seiner Zeitschrift 'Hochland', und auch Pöllmann wollte die "Anspruchslosigkeit der katholischen Literatur" (S. 44) überwinden, wobei er sich nicht zuletzt auf eine katholische Auslegung des "Ethos und Pathos" (S. 29) der Kunstphilosophie Schillers stützte. Der zeitweise immens erfolgreiche, in seinen Augen aber künstlerisch minderwertige Schriftsteller Karl May erschien Pöllmann unter diesen Vorzeichen als eine Art Musterbeispiel für die Niederungen, Verwirrungen und Anfechtungen, die er in der als mehr oder weniger katholisch geltenden Literatur der Gegenwart entdeckte, und wenn er bei ihm auch noch solche Untaten fand wie die Neigung zum Plagiieren, forderte das seinen Zorn erst recht heraus. Ein umfangreiches Kapitel des Buches ist speziell diesem Komplex gewidmet. Daneben erfahren wir, dass Pöllmann auch andere Erfolgsschriftsteller attackierte: Peter Rosegger zog seine Abneigung auf sich, da er "ein verschwommenes Gefühlschristentum mit einem starken Einschlag von etwas oberflächlich sitzendem Rationalismus" (S. 155) vertrat.

Eine pointierte Beurteilung der Einzelheiten, um die es in der Auseinandersetzung Pöllmann/May ging, fehlt weitgehend. Überhaupt tritt die Kommentierung der Dinge, mit denen sich dieses Buch befasst, zurück hinter die Ausbreitung von Textmaterialien: Die Gedichte Pöllmanns werden ebenso ausführlich wiedergegeben wie diverse Aufsätze, und auch manches aus dem Umfeld wird gründlich zitiert. Der besondere Wert dieses Buches liegt deshalb wohl vor allem in seinem dokumentarischen Charakter.

Helmut Schmiedt


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