Ellen Wilmes

Nicht-Dualität

Dôgen Zenji trifft Michel Henry

libri nigri Band 67

Rezension


Ellen Wilmes Arbeit über Nicht-Dualität wagt sich an nichts weniger als die Beschreibung der unüberwindlichen Verbundenheit und Abhängigkeit allen Seinsförmigen im Hier und Jetzt. Der Terminus der Nicht-Dualität bezieht sich dabei auf die im Buddhismus als "abhängiges Zusammenentstehen" (paticca samuppada) bzw. im modernen Wissenschaftsgewand ausgedrückt: als "konditionierte Ko-Produktion" beschriebene Ordnung der Welt. Das Prinzip der konditionierten Ko-Produktion erklärt dabei die dynamische Stabilität aller Seins-Formationen und damit in gewisser Weise auche jeden Werdeprozess des Menschen, ganz so wie er sich in DIESEM Augenblick ausdrückt und zugleich ohne auf Vorstellungen eines omnipotenten Schöpfers oder eines unveränderlichen, autonomen Selbst zurückgreifen zu müssen. Die Verbundenheit bzw. Un-Getrenntheit aller Phänomene - die im positiv gemeinten negativsprachlichen Ausdruck Nicht-Dualität transportiert werden soll - kann damit auch als das Herz oder Kern des Buddhismus verstanden werden: "Wer das bedingte Entstehen versteht, versteht das Dhamma, und wer das Dhamma versteht, versteht das bedingte Entstehen", so der Buddha.

Ellen Wilmes gelingt in ihrer schriftlichen ÜberSetzung eine gezielt schrittweise Annäherung und Auseinander-Setzung der grundlegenden Un-Getrenntheit aller Phänomene mit relevanten philosophischen, religionswissenschaftlichen und (Zen-)buddhistischen Denk-, Erlebens- und Seinsräumen. Am Ende dieser knapp 400seitigen wortgewandten und tiefgründigen Perspektivierungen steht die Einsicht, dass jede/r Praktizierende und die praktizierte Praxis als untrennbare Eins zu verstehen ist. Denn über Differenzen wie Dualitäten (Zweiheiten) kann man nun nur noch sprechen, wenn man - um die hier ebenso passenden Worte von Peter Fuchs über Sinnsysteme einzufügen - einen "erheblichen Aufwand für die Ausblendung ihrer Einheit treibt, für die Erzeugung einer ZWEI, die doch als EINS gelesen werden müsste, obschon alle Worte bzw. Begriffe, die darauf angewendet werden, die ZWEI mehr oder minder okkult mitführen". Genau wie Peter Fuchs denkt Ellen Wilmes hier natürlich ebenfalls entlang der Grenze der ZWEI, die uns dann als Leser jedoch wieder die EIN-heit jeder Dualität vor Augen führen kann.

So abstrakt die dazu nötigen Analysen daherkommen mögen, so lebensnah und praktisch sind sie gemeint. Denn Ellen Wilmes geht es mit ihrer Schrift über die Gleichzeitigkeit und Verbundenheit um nichts weniger als die Versöhnung zwischen sich selbst und der Welt.

Dr. Jonathan Harth


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