"Hinter dem etwas sperrigen Namen verbirgt sich ein Werk, das ‚erst' vor 50 Jahren seinen Anfang nahm, aber in dieser Zeit zu einem Begriff für Theologen, Religionswissenschaftler und Forscher für Kirchengeschichte und Kunstgeschichte [...] geworden ist", schreibt Herausgeber Traugott Bautz (*1945) in einer eben erschienenen Festschrift. 3.534 Artikel hatte sein Vater, Friedrich Wilhelm Bautz (1906-79), der Begründer dieses einmaligen Lexikons, in den beiden ersten Bänden mit Sachkompetenz und nach gründlichen Vorstudien, die er innerhalb von 40 Jahren erarbeitet hatte, noch selbst geschrieben. Die Gesamtkonzeption ist über die Jahrzehnte schrittweise ausgebaut worden. Vor allem durch den ökumenischen Wandel und die erheblich erweiterte Mitarbeit zahlreicher Autoren aus fast allen Konfessionen ist das Spektrum erheblich erweitert. Völlig anders geartete Herausforderungen waren die Entwicklung der elektronischen Kommunikationsformen, die zunehmenden globalen Kommunikationsmöglichen sowie das Kommunikationsverhalten im Internet. Das Lexikon sollte, heißt es im Vorwort des ersten Bands von 1975, "Auskunft über das Leben und Schaffen von etwa 10.000 Männern und Frauen der Vergangenheit, die in Deutschland und im Ausland in einem der weitverzweigten Arbeitsbereiche der evangelischen Kirchen und Freikirchen sowie der römischkatholischen Kirche und ihrer Orden wirkten". Mittlerweile ist das Lexikon auf 23.000 Beiträge angewachsen. Den 15 "Stammbänden" folgten bis 2018 weitere 24 "Ergänzungsbände". Jeweils beigegebene "Registerbände", die alle Namen auf inzwischen 149 Seiten alphabetisch erfassen, helfen bei der Benutzung der gedruckt vorliegenden 39 Bände, deren Inhalte allerdings im Internet bequemer "aufgeschlagen" werden können (https://www.bautz.de/bbkl). Sie wurden von 2.400 Wissenschaftlern aus zahlreichen Ländern beigesteuert, darunter befinden sich nach den früheren Autoren aus evangelischen Landeskirchen, den Freikirchen, der römisch-katholischen Kirche nun auch Wissenschaftler aus dem Bereich der Orthodoxie. Der 40. Band befindet sich in Vorbereitung und soll 2019 erscheinen. Heute ist das BBKL nach Angabe des Herausgebers das weltweit größte ökumenische Kirchenlexikon über Personen. Inhaltlich ist der Erstherausgeber von Anfang an doppelgleisig gefahren: Es ist eben nicht nur ein biografisches, sondern zu jeder Person auch ein bibliografisches Lexikon. Das heißt, zu jedem Personenartikel sind möglichst alle von dieser Person verfassten und herausgegebenen Werke - auch Aufsätze und Beiträge in Sammelwerken - erfasst, dazu in einem zweiten Abschnitt reichlich Literatur über die im Artikel behandelte Person, manchmal auch Quellenhinweise in Archiven. Diese bibliografischen Angaben werden ständig ergänzt, entweder durch bisher nicht aufgenommene oder neu aufgefundene Werke, die von der Person verfasst wurden. Ein oft umfassender Abschnitt sind frühere und neuere Veröffentlichungen, welche die im Artikel beschriebene Person betreffen. Die breite Erfassung der "eigenen Werke" ist bei den Artikeln aus den früheren Randgruppen der Gesellschaft besonders hilfreich, weil diese oft in kleinen Verlagen erschienenen Werke von den öffentlichen Bibliotheken selten erworben wurden. Der gesellschaftliche Wandel bringt es aber mit sich, dass heute ein wachsendes Interesse besteht, Impulse und Wirkungen der schon im 19. Jahrhundert in der Gesellschaft demokratisch wirkenden Minderheiten zu untersuchen. Auch die "Volkskunde" und die Forschungen über die "Wissenskultur" sind dabei, sich zunehmend auch für die besonderen Situationen in den verschiedenen Minderheiten als Forschungsobjekte zu interessieren. Ähnlich verhält es sich mit der ökumenischen Entwicklung. Die Theologie und Praxis von Kirchen, die schon zur Zeit des flächendeckenden Territorialverständnisses der protestantischen Landeskirchen die heute ökumenische These von der "Mission in sechs Kontinenten" - also auch in Deutschland - praktiziert haben, sind als interessante Phänomene in ihrer Wirkung jetzt durch die lexikalische Literatur-Information viel leichter aufzufinden. Eine für unsere Zeit typische Erweiterung des Spektrums ist auch, dass die Kirche durch die Auswahl der Personen nicht mehr als ein Institut überwiegend hochgebildeter Akademiker erscheint. Auf ganz verschiedene Weise einflussreiche Laien als Organisatoren, Prediger, Bibelverkäufer und Wanderprediger oder auch als Impulsgeber für kirchliche diakonische Institutionen neben den verfassten damaligen
Staatskirchen haben inzwischen diesen und jenen Platz gefunden. Das ist nur möglich, weil die Mitarbeiter des Lexikons Anregungen und Vorschläge von Personen einbringen können, die sonst von einem wissenschaftlichen Herausgeberkreis wohl kaum ins Blickfeld geraten wären. Für den protestantischen Bereich ist die Aufnahme von Männern und Frauen, die aus den angelsächsischen Kirchen nach Deutschland hinein gewirkt haben, wichtig. Erst in jüngster Zeit wurde der Blick der über Jahrhunderte in nationaler Abgrenzung fast gefangenen Ortskirche über die Grenzen der eigenen Konfession hinausgelenkt und eine gewisse Enge überwunden. Für Forscher und Historiker der Kirchen in Asien und Afrika, in Australien und in Grönland ist der Zugang zur Kirchengeschichte im alten Europa durch die Internetpräsenz erheblich erleichtert. Das ist im protestantischen Bereich so wichtig, wie im katholischen der Blick nach Rom, um das eigene Selbstverständnis von der Wurzel her zu erfassen. Der weite Blick kann aber auch helfen, den Horizont für die Teilhabe und Teilnahme an einem Leben in einer globalen ökumenischen Welt zu fördern. Dieses kann wiederum nicht nur in der Begegnung verschiedener Konfessionen hilfreich sein, sondern auch für den örtlichen und regionalen interreligiösen Dialog. Es ist kein Wunder, dass dieses Lexikon inzwischen einen Rang hat, dass es "am häufigsten benutzt und zitiert wird", wie Traugott Bautz im
Vorwort seiner Festschrift zum Jubiläum schreibt. Karl Heinz Voigt
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Von Anfang an ökumenisch