Gabriele Münnix, Rolf Roew, Bernd Rolf (Hrsg.)

Résistance - Widerstand

Europa Forum PHILOSOPHIE bulletin 67

Rezension


Die Fridays-for-Future-Demonstrationen sind für Schülerinnen und Schüler gegenwärtig wohl das lebendigste Beispiel eines politischen Widerstands. Mit der Verletzung der Schulpflicht provozieren die jungen Leute erwünschte Kontroversen. Sie glauben, sonst nicht ausreichend gehört zu werden. Der Klimaschutz ist ihnen ein so wichtiges Anliegen, dass sie die Grenzen des Rechtsstaates strapazieren. Betrachtet man diesen Zusammenhang philosophisch, werfen sie damit die Frage nach der demokratischen Anerkennungswürdigkeit rechtswidrigen Handelns auf, also die Frage nach dem zivilen Ungehorsam. Der Band enthält zu diesem Thema einen sehr lesenswerten Artikel des Berliner Politologen Bernd Ladwig, der man in Ausschnitten oder auch im Ganzen (z. B. als Gruppenpuzzle) mit Schülern erarbeiten kann. Schon deswegen lohnt es hier, auf diesen Band aufmerksam zu machen. Im Philosophieunterricht der Sekundarstufe II schließt das Thema Widerstand gut an die Behandlung von Demokratietheorien oder Naturrechtslehren an. Als irregulärer Protest bleibt der zivile Ungehorsam selbstverständlich an Rechtfertigungspflichten geknüpft. Ladwig definiert ihn vor jeder Entscheidung über seine prinzipielle Berechtigung im Rechtsstaat: Er sei "ein politisch motivierter, gewissens- oder prinzipienbestimmter Bruch geltenden Rechts zu dem Zweck, eine Öffentlichkeit für Änderungen reformerischer oder revolutionärer Art zu gewinnen." (S. 72) Der zivile Ungehorsam schließt nach dieser Auffassung nicht aus, die Sichtweise der anderen für gravierend falsch zu halten, er lässt aber das Band gegenseitigen Geltenlassens nicht zerreißen. Seine Strategie bleibt diskursiv. Weil die Regelverletzung für die Kommunikationsstrategie zentral ist, untersucht Ladwig philosophisch mögliche Rechtfertigungsgründe - und dies sehr differenziert, weil im bürgerlichen Rechtsstaat ja auch legale Protestformen existieren.

Erschienen ist dieser Aufsatz in dem Sammelband Resistance - Widerstand, der in großer Bandbreite mehr als ein Dutzend Beiträge einer Tagung des "Europa Forums Philosophie" 2018 versammelt. Der weite Bogen spannt sich von geistesgeschichtlichen, rechtsphilosophischen, politischen bzw. politologischen und psychologischen bis zu didaktischen Aspekten. Weitere Beiträge sind im Kontext des deutschen Philosophieunterrichts anschlussfähig. Werner Busch formuliert 500 Jahre nach Martin Luthers Thesenanschlag Fragen an die Philosophie. Thomas Neurath zeigt Widerständigkeit im Denken von Erasmus, in seinem Weltbürgertum, seinem überzeugten Pazifismus, radikalen Christentum, Einsatz für Toleranz, Bildung und Erziehung. Gabriele Münnix zeichnet in einem überaus lesenswerten Beitrag Michel Foucaults Engagement im Kontext seiner Archäologie nach. Klaus Draken lässt das von Leonard Nelson und Gustav Heckmann her inspirierte sokratische Gespräch lebendig werden.

Johannes Bierbrodt


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