Das Haus Königsegg war im 18. Jahrhundert eines von sechs gräflichen Häusern in- Oberschwaben, die sich in 13 bzw. 14 Linien geteilt hatten (Waldburg 5-6, Fugger 3, Königsegg 2). Die Königsegger waren wie die Waldburger aus der welflsch-staufischen Ministerialität hervorgegangen. In der Frühzeit benannten sich Familienangehörige nach unterschiedlichen Orten: Berg, Fronhofen, Reute und Tobel. 1251 ist erstmals ein Eberhard von Königsegg bezeugt. Um 1400 teilte sich das Haus in die Linien Königsegg, Königseggerberg und Hatzenthurm. Das Erbe der Linie Königseggerberg fiel nach deren Aussterben 1545 den Königseggern zu, die Hatzenthurmer wanderten nach Preußen aus und begründeten dort eine später protestantische Linie.
1355 hatten die Königsegger Aulendorf erworben. 1510 erhob sie der Kaiser in den Freiherrenstand, 1629 in den Grafenstand nach dem Kauf der Grafschaft Rothenfels im Allgäu von den Grafen von Montfort 1564. In einem Erbvertrag von 1588, endgültig vollzogen 1609, einigten sich die Brüder über die Trennung der Linien Aulendorf und Rothenfels. Die ältere Linie Rothenfels erbaute als neue Residenz das Schloss in Immenstadt, die jüngere Linie wählte statt der Burg Königsegg Aulendorf als Residenz. Der Umfang ihrer Herrschaften entsprach mit ca. 4.000 Untertanen der Herrschaften Königsegg und Aulendorf und ca. 6.000 - 7.000 Untertanen der Grafschaft Rothenfels in etwa der Größe der übrigen gräflichen Territorien in Oberschwaben mit meist 4.000 - 6.000 Untertanen, nur die Grafen von Montfort regierten Herrschaften mit etwa 12.000 Untertanen.
Rang und Ansehen der Familie über den regionalen Rahmen hinaus steigerten die Mitglieder, die höchste Ämter im Reich errangen; so aus der Linie Rotenfels Leopold Wilhelm als Reichsvizekanzler 1669-94, zwei Feldherren im 18. Jahrhundert und Max Friedrich als Kurfürst von Köln 1761-84, aus der Linie Aulendorf Karl Ferdinand als Statthalter der österreichischen Niederlande 1743-44. Regional als Landesherren des doch bescheidenen Territoriums beschränkt in ihren Möglichkeiten, eröffnete den Grafen von Königsegg-Aulendorf ihr Amt als Erblandvögte seit 1637 zusätzliche Einflussmöglichkeiten. Als Spitzenbeamte der österreichischen Landvogtei Oberschwaben konnten sie den anderen Herrschaften Oberschwabens, als Klientel alle abhängig von Österreich und stets von ihm bedroht, als Interessenvertreter der Großmacht Österreich gegenübertreten. Es war ja für den oberschwäbischen Adel oft nicht leicht, "Austriacus simul et Caesaris esse", zugleich ein guter Parteigänger des Kaisers wie auch Österreichs zu sein.
Den Grafen von Königsegg-Rothenfels kam Österreich anders als den Grafen von Montfort entgegen, als sie in ähnlicher Höhe verschuldet wie zuvor die Grafen von Montfort ihre Zahlungsunfähigkeit bekennen mussten. Österreich übernahm 1803 die Grafschaft Rotenfels und überließ dem Grafen im Tausch Güter in Ungarn. Dort im 19. Jahrhundert wieder in Schwierigkeiten mussten sie diese Güter verkaufen und verloren ihr Vermögen in der Inflation nach dem 1. Weltkrieg.
Die Aulendorfer Linie hatte schon im frühen 18. Jahrhundert Güter in Ungarn ererbt und sich als ungarische Magnaten nach der Mediatisierung im 19. Jahrhundert meist dorthin zurückgezogen. Bedrängt durch den ungarischen Nationalismus gaben sie den ungarischen Besitz 1915 auf, bezogen Schloss Aulendorf, real aber bald Schloss Königseggwald als Residenz bis heute. 1941 musste Schloss Aulendorf veräußert werden. Nachkommen der Linie Rotenfels leben heute in Ungarn, der freiherrlichen preußischen Linie in Schweden.
Familiengeschichten der Häuser Montfort und Waldburg sind vor mehr als einem Jahrhundert erschienen. Neuere Gesamtdarstellungen oberschwäbischer Adelsfamilien fehlten bislang. Umso erfreulicher ist, dass der Neurologe Dr. Horst Boxler sich seit Jahrzehnten mit der Geschichte des Hauses Königsegg quasi als Hofhistoriograf befasst und 1993 und 2005 drei gewichtige Bände zur Familiengeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart publiziert hat, in denen er die geschilderten Grundlinien herausgearbeitet hat. Prof. Dr. Hans-Martin Maurer nannte das "monumentale opus" eine "wissenschaftlich fundierte Darstellung" und einen "respektablen Beitrag für die Geschichtsforschung unseres Landes".
Nun hat er 2016 zusammen mit Johannes Graf von Königsegg-Aulendorf zwei weitere schwergewichtige Bände von 1.261 Seiten folgen lassen. Die familiengeschichtliche, personenbezogene Darstellung sollte durch "eine Geschichte der Residenzen und Besitzungen, aber auch der Spuren" ergänzt werden, die die Königsegger hinterlassen haben. Der erste Band enthält alphabetisch gegliedert alle Orte, die zu den Königseggern in Bezug standen, also alle Orte ihrer Herrschaften in Oberschwaben, im Reich, in Österreich, in Preußen, Ungarn, Belgien etc., Behausungen im Lauf der Jahrhunderte, etwa in Schweden, ihre Wirkungsstätten, Studienorte, Schlachtfelder, wo Königsegger gekämpft hatten, aber auch Aufbewahrungsorte von Handschriften und Drucken aus ehemaligem gräflichen Besitz. "Es ist eine Reise durch fast ganz Europa und manchmal auch noch darüber hinaus" (Boxler). Das reicht etwa von Addis Abeba, wo ein Rotenfelser Kaiser Menelik II. beriet, bis zu Zichyujfalu in Ungarn, wo ein Graf Zichy im 19. Jahrhundert eine Rotenfelserin ehelichte. Der Umfang dieses Teils schwillt beträchtlich an durch die Aufnahme all der Schlosser, aus denen Frauen stammten die in die Familien Königsegg-Aulendorf und -Rotenfels eingeheiratet hatten. Das wird bisweilen sehr weitherzig interpretiert, wenn Akkon einen Artikel erhält, weil in der Stadt Heinrich Walpot von Bassenheim als erster Hochmeister des Deutschen Ordens 1198-1200 residierte. Mehr als 700 Jahre später heiratete eine Freiin von Waldbott-Bassenheim den Grafen von Königsegg-Aulendorf.
In einem eigenen Kapitel in Band 2 werden dagegen Orte und Spuren der Personen aufgeführt, die Mitglieder der in 13 "Häuser" aufgesplitterten preußischen Linie geheiratet haben. Die jeweils beigefügten Fotos des gegenwärtigen Zustandes all dieser Gutshäuser vermitteln einen beklemmenden Eindruck vom Verfall dieser Baudenkmäler. Im Lauf der Arbeit an dem Werk aufgetauchte Nachträge von Orten im Allgäu, Bodenseegebiet, Rheinland, in Oberschwaben, Nordwürttemberg, Westfalen, Ostdeutschland, Österreich, Belgien, Frankreich, Spanien, Ungarn, in der Slowakei finden sich in Kapitel 8 in Band 2 "Sakrales und eine Kanone", vor allem Glocken, wurden nicht unter den "Orten und Spuren" in Kap. 1 und 8 verzeichnet, sondern in einem eigenen Kapitel 6 wiederum in alphabetischer Ortsfolge zusammengestellt.
Verdienstvoll ist das Inventar Königsegger Münzen und Medaillen mit guten Aufnahmen. Aufsätze widmen sich den Themen "Königsegg und die Musik" und der Frage des Alters Immenstädter und Staufner Brauchtums. Veranlasst durch einen "magischen Augenblick" ist ein großangelegtes "geographisches Kompendium" entstanden, für das es kein Beispiel eines anderen Adelegeschlechts gibt. Es führt am Beispiel dieser Familie vor Augen, wie viele Zeugnisse der und in diesem Falle ihrer Geschichte es in unserer Gegenwart gibt, man muss sie nur zu entziffern und zu sehen wissen. An diesem Exempel wird sichtbar, wie sich das Netzwerk des Adels über Europa gelegt hat und in der Überlagerung, in Konkurrenz und Zusammenwirken Europas Geschichte bestimmt hat.
Horst Boxler hat es bei den drei personenbezogenen und zwei ortsbezogenen Bänden nicht belassen. In zwei weiteren Publikationen dokumentiert er weitere Forschungen und neue Erkenntnisse als "work in progress".
Der Band "Königsegg, Vorträge und Forschungen" von 2017 bietet eine Sammlung seit 1993 erschienener "kleinerer Veröffentlichungen" und "Texte, die ungedruckt blieben oder Gegenstand von Vorträgen wurden". Die Hälfte dieses Bandes nimmt das Repertorium des Gräflich Königseggschen Archivs in Königseggwald mit Regesten der Urkunden von 1204 -1713 ein. Dieses Repertorium wird ergänzt durch ein "Kompendium der Quellen und Regesten zur Geschichte des reichsgräflichen Hauses Königsegg" mit einem Verzeichnis einschlägiger Archivbestände und Quellenpublikationen. Von den übrigen 16 Texten können nur die umfangreichsten erwähnt werden, es sind der Abriss der Hausgeschichte im Handbuch "Grafen und Herren" der "Residenzenforschung", "Miniaturen" als Ergänzung der Familiengeschichte von 2005, der Beitrag über Königsegger "im Dienst von Kaiser und Kirche" aus dem Werk "Adel im Wandel" und "Zwischen Wien und Paris" über die Mediatisierung der Grafen von Königsegg-Aulendorf, ein Vortrag, der kenntnisreich und wohl komponiert das Schicksal des Grafenhauses im Rahmen des dramatischen Umbruchs in Europa schildert.
Gleichzeitig begannen Graf und Erbgraf Königsegg zusammen mit Horst Boxler, "ein Jahrbuch über Familiennachrichten, allgemein interessierende, die Familie berührende Ereignisse, Königsegg'sche Nachträge und Miszellen und entsprechende Literatur herauszugeben." Das erste als PDF-Datei abrufbare "Königsegg-Bulletin" erschien 2017. Er setzt ein, wieder reich illustriert, mit Familiennachrichten von Geburtstagen, Hochzeiten und Geburten der gräflichen Familien. An größeren Aufsätzen enthält es, teilweise von anderen Autoren, Texte über die Mission eines Königsegger Grafen im Auftrag Maximilians I. an die Pforte, das Freundschaftsbuch eines Königseggers 1604,-19, die Loreto-Wallfahrt nach Bühl am Alpsee, zur Musik an Königsegger Höfen (Eberhard Fritz und Berthold Büchele), eine Würdigung von Prof. Peter Blickle und seines Buches über den Bauernkrieg, den nochmaligen Abdruck der Buchvorstellung "Orte und Spuren" von Prof. Franz Quarthal, Nachträge zu diesem Band sowie am Schluss einige Hinweise auf Neuerscheinungen des Buchmarkts, darunter auch belletristische Werke.
Ein "work in progress" fördert immer wieder neue Erkenntnisse und Korrekturen früherer Aussagen zutage. So begrüßenswert es ist, interessierte Leser der früheren Bücher über diese neuen Erkenntnisse zu informieren, so verliert man doch leicht den Überblick über all diese Korrekturen.
Prof. Quarthal hat zu Recht darauf hingewiesen, dass jetzt "keine oberschwäbische Adelsfamilie über eine breitere und eingehendere Darstellung ihrer Geschichte verfügt als die Familie von Königsegg". Angesichts der Bedeutung der Familie Königsegg, sind die hier besprochenen Publikationen wichtige Beiträge zur oberschwäbischen Regionalgeschichte und damit für jeden daran Interessierten unverzichtbar. Das ist in erster Linie das Verdienst von Dr. Horst Boxler, über dessen Schaffenskraft man nur staunen kann. Was er vorlegt, könnte als das Lebenswerk eines Gelehrten betrachtet werden, aber er hat diese Werke neben seinem eigentlichen Beruf als Arzt geschaffen. Dabei ist zu bedenken, dass er außer seinen Forschungen über die Königsegger noch eine Fülle von Aufsätzen, Rezensionen Vorträgen zu historischen, literarischen und medizinischen Themen publiziert hat. Der frühere Bürgermeister von Aulendorf, selbst Historiker, hat gewürdigt: "Er schreibt stilvoll und lesbar. Durch den manchmal etwas spröden Stoff hindurch klingt die ganz persönliche Stimme des Autors. Die Qualität des Werks besteht im gelungenen Zusammenklang von Stimme und Stoff des Historikers." Er scheut nicht, aus souveräner Kenntnis und reicher Lebenserfahrung geistreich formulierte Bezüge zur Gegenwart herzustellen. Aber nicht nur im Sprachlichen vermag er eine reichere Klaviatur zu bespielen als Fachhistoriker, er misst den Bildquellen gleiche Bedeutung wie den Textzeugen zu und kann so seine Texte reich bebildern was die Fachkollegen noch oft verschmähen.
Dr. Boxler hätte keine so reiche Ernte einbringen können, hätte er nicht von Anfang an die Unterstützung des Hauses Königsegg gehabt und vor allem das grafische Archiv nutzen können. Stets war ihm das große Interesse der Familie an seinen Forschungen gewiss. So ging die Unterstützung über wohlwollende Förderung hinaus und mündete bei den letzten Publikationen in eine Mitautorschaft. Nur so war es auch möglich, dass die Familiengeschichte bis in die Gegenwart fortgeschrieben werden konnte. In Zeiten in denen der Adel erneut kritisch wahrgenommen wird, muss die selbstbewusste Vermittlung seiner Geschichte klärend wirken und kann erst objektive Urteilsbildung ermöglichen. Und wenn der seinerzeitige Bürgermeister von Aulendorf als "conclusio" der Königsegger Geschichte "die selbstbewusste Wertschätzung für das Eigene" formulierte dann bedarf gerade das in der heutigen allgemeinen gesellschaftspolitischen Diskussion der Forderung und Stärkung.
Wie könnte es weitergehen? Ein Desiderat waren vergleichbare Projekte anderer Adelsfamilien, was aber nur möglich ist wenn deren Zugänglichkeit und Benutzbarkeit verbessert wird. Wir wissen mittlerweile viel über die Genealogie über Biografien, Herrschaftserwerb und -verlust des hiesigen Adels, aber relativ wenig über die wirtschaftlichen und finanziellen Grundlagen, die Herrschafts-, Regierungs- und Verwaltungspraxis, das Leben an den kleinen Höfen und den Bildungshorizont. Nach Peter Blickle ist das "Haus der Organisationskern nicht nur für die Wirtschaft sondern auch für Herrschaft [...] Wie die Hauser zueinander stehen und untereinander verbunden sind, prägt die Formen politischer Organisation. Davon gibt es zwei, mehr nicht. Sind sie horizontal geordnet, entsteht daraus [...] Gemeinde." Sind sie vertikal geordnet, dann entsteht eine Hierarchie, "Herrschaft". In den letzten Jahrzehnten hat sich die Forschung auf die Gemeinde konzentriert. Herrschaft haben in Oberschwaben Adel, Kloster, Reichsstädte und Österreich ausgeübt. Nach meinem Eindruck wissen wir über die konkrete Herrschaftspraxis des Adels immer noch am wenigsten.
Elmar L. Kuhn
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