Das Folgende ist als hypothetische Machtgeschichte zu verstehen.
Hypothetisch ist diese Geschichte, weil sie versäumt die eine Wahrheit
zu präsentieren; eben diese Wahrheit nicht suchen zu wollen, stellt
umgekehrt ihr größtes Potential dar. Parallel zu dieser Geschichte
entwickelt sich das "methodisch-theoretische" Gerüst der Arbeit, welches
kontinuierlich zu einem kritisch-praktischen Vorgehen gerät.
Eine chronologische Staffelung beider Bereiche würde deren gegenseitiges
Weitertragen verhindern; und damit ihre innere Bewegung, schon
bevor sie beginnt, stoppen. Ich sage das, weil es notwendig ist, diese
Arbeit unsystematisch zu lesen. Das philosophische Handwerkszeug
muss sich bei dieser Geschichte gemeinsam mit dem literarischen Material
entwickeln, sonst sind beide dahin. Eine methodologische Vorabklärung
im Sinne des derzeitigen wissenschaftlichen Geschmacks
nähme nicht nur das Ende dieser Arbeit vorweg - wohlgemerkt müsste
dann die ganze Geschichte zum Verständnis nacherzählt werden -
sondern machte deren praktischen Sinn gleich ganz zu Nichte.
Diese Dramaturgie arbeitet an der Skizzierung von Macht und deren
Typologie anhand dreier Romane. Diese sind erstens Justine oder
die Leiden der Tugend von Donatien Alphonse François de Sade aus
dem Jahr 1797. Zweitens Der Prozess von Franz Kafka aus dem Jahr
1925. Den finalen Akt bildet Jean-Paul Sartres Der Ekel aus dem Jahr
1938. Die Auswahl dieser literarischen Grundmauern folgt der Überzeugung,
dass sie sich geradezu aufdrängen für eine Geschichte der
Macht und der Machtformen. Jedem Roman ist damit ein eigener Abschnitt
zugeordnet, der eine spezifische Stufe der Machtanalyse darstellen
soll, die sich an dem Analysestrang zwischen Friedrich Nietzsche
und Michel Foucault aufbaut, welche die begrifflichen und
analytischen Fundamente stellen. Daraus ergibt sich folgende Übersicht
über die Abschnitte dieser Machtgeschichte:
- Sadistisch - Reale Macht
- Kafkaesk - Symbolische Macht
- Ekelhaft - Imaginäre Macht
Die Flucht nach vorne in die literarischen Welten von Justine, Josef K.
und Antoine Roquentin gibt einer Machtgeschichte einerseits klare
Charaktere und ermöglicht andererseits große Freiheiten in der Beschreibung
ihrer Machtsituationen. - Jenseits von Gut und Böse handelt
von der "Sammlung des Materials, begriffliche[n] Fassung und
Zusammenordnung eines ungeheuren Reichs zarter Werthgefühle und
Werthunterschiede, welche leben, wachsen, zeugen und zu Grunde
gehn[.]" Nietzsche versucht eine Typenlehre der Moral; mein
Wunsch ist es die begonnene Arbeit an einer Typologie der Macht aufzunehmen.
Wien/Prag, 2016
Markus E. Hodec
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