Alle drei Jahre findet der Norddeutsche Archivtag statt, zuletzt 2015 in Hamburg unter dem Titel "Verbünde und Verbündete". Es war - das kann bereits hier festgestellt werden - ein ertragreicher und spannender Archivtag, der in dem zu besprechenden Tagungsband dokumentiert ist.
In seinem einleitenden Statement lotet Udo Schäfer die Herausforderungen aus, die aus Archiven und anderen Gedächtnis-Institutionen Verbündete machen. Neben der Digitalisierung stellt er vor allem Fragen der Finanzierung in den Mittelpunkt seiner Überlegungen und erläutert, dass durch Zusammenschlüsse auch mehr Sichtbarkeit und eine verstärkte Wahrnehmung für die Anliegen der Archive erreicht werden kann.
Die darauf folgende erste Sektion versammelt sechs Beiträge, die verschiedene Verbünde vorstellen. Anlass, Partner, Ziel und Dauer der hier präsentierten Kooperationen sind sehr unterschiedlich und zeigen so ein breites Spektrum möglicher Zusammenarbeit auf. Die ersten beiden Beiträge befassen sich mit Kooperationsprojekten staatlicher Archive. Sabine Graf stellt die Zusammenarbeit des Niedersächsischen Landesarchivs und des Hessischen Landesarchivs bei der Entwicklung und Pflege des Archivinformationssystems "Arcinsys" vor. Eine weitaus kompliziertere Kooperation ist das Thema von Matthias Manke, der den Sachstand zum "Digitalen Archiv Nord" (DAN) referierte. Insbesondere die unzureichende Personalausstattung, politische Verwicklungen und ungelöste Finanzierungsfragen haben dieses Verbundprojekt immer wieder in Schwierigkeiten gebracht. Manke macht deutlich, welche Probleme bei Kooperationen auftreten können und wie sich Risiken minimieren lassen. Sigrid Dauks und Lars Nehelung richten in ihrem Beitrag über die Arbeitsgemeinschaft Norddeutscher Hochschularchive den Blick auf die Wissenschafts- und Hochschularchive. Im Mittelpunkt steht dabei eine Umfrage zur Überlieferung im Verbund also etwa mit Staats- und Kommunalarchiven-‚ die die AG durchgeführt hatte. Die Ergebnisse der Umfrage zeigen, dass die Mitglieder der AG noch kaum auf diese Möglichkeit zurückgreifen und Kooperationen im Sinne einer Überlieferung im Verbund aktuell keine große Rolle spielen. Die Vorträge von Julia Kahleyß und Anne Kathrin Pfeuffer, von Anke Mührenberg sowie von Johannes Rosenplänter erläutern schließlich unterschiedliche Arten von Verbünden im Bereich der Kommunalarchive: Geschildert werden die erfolgreiche Zusammenarbeit mit der IT, die Arbeit der Archivgemeinschaft Schwarzenbek, in der sich mehrere Städte und Gemeinden zur Schaffung einer Steile zur Betreuung der jeweiligen Archive zusammengetan haben,sowie eine Auseinandersetzung mit der Frage, wie gerade kleinere Kommunalarchive von Verbünden profitieren können.
In der zweiten Sektion ist das Thema "Verbünde und Verbündete" eher am Rande vertreten, dafür wagen die Autorinnen und Autoren einen Blick in die Zukunft. Zunächst zeigt Kerstin Helmkamp am Beispiel der Universitätsbibliothek Göttingen, dass durch die wachsende Bedeutung digitaler Ressourcen im wörtlichen Sinne Frei-Räume geschaffen wurden, die nun Studierenden als Lern- und Arbeitsorte zur Verfügung stehen. Dabei findet nicht nur durch die technische Ausstattung, sondern auch durch die Raumaufteilung eine Abkehr vom klassischen Lesesaal statt. Statt langer Stuhl- und Tischreihen gibt es nun abgeschlossene Einzelarbeitsplätze, Gruppenarbeitsräume sowie Räume für Studierende mit Kind. Angela Ullmann befasst sich mit der Frage, wie das Monopol der Archive bei der Bereitstellung von Archivgut für die Nutzung dadurch beeinflusst wird, dass Verwaltungen Informationen in eigenen Informationssystemen der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Diese Informationen finden sich dann z. B. auch in Akten wieder und führen eine Art "Doppelleben" als Angebot der Verwaltung und des Archivs. Angela Ullmarin plädiert hier für eine intensive Zusammenarbeit zwischen Archiv und Verwaltung und für eine Angleichung der Nutzungsbedingungen. Markus Stumpf blickt dann in die sprichwörtliche Glaskugel und in das Jahr 2040. Wie zu erwarten stellt Stumpf eine wachsende Bedeutung digitaler Unterlagen fest, was Auswirkungen auf sämtliche archivischen Kernaufgaben haben werde. Diese Entwicklung erfordert Anpassungen seitens der Archive, etwa durch bessere Qualifizierung, engere Zusammenarbeit mit der Verwaltung oder eine stärkere Ausrichtung an Nutzerinteressen. Abgeschlossen wurde die Sektion durch eine Podiumsdiskussion, die der Frage nachging: "Die zukünftige Rolle der Archive in ihren Organisationen. Wer sind unsere Verbündeten?" Die Diskutanten kamen aus unterschiedlichen Berufsfeldern: Drei Archivare aus unterschiedlichen Archivsparten, ein Datenschützer sowie ein Historiker. Die Debatte ist als Wortprotokoll in den Band aufgenommen. Die in der Debatte geäußerten Positionen und Forderungen sind nicht neu (etwa in Bezug auf die Digitalisierung von analogen Unterlagen), werden aber unter dem Blickwinkel "Verbündete" noch einmal neu beleuchtet. Auch die möglichen Schnittmengen, die aus Archivarinnen und Archivaren, Forschenden und Datenschützerinnen und Datenschützern Verbündete machen, werden in den Debattenbeiträgen deutlich.
Abgeschlossen wird der Band schließlich durch die Rubrik "Aktuelles", in der drei Kurzberichte zur Modernisierung des bremischen Archivrechts, zum Forum Wissenschaft - Bibliothek - Musik in Detmold und zum Hamburger Archivführer versammelt sind.
Der Band bietet viele spannende Praxisbeispiele zum Tagungsthema "Verbünde und Verbündete" und kann somit auch für andere Archive Inspiration bieten. Dazu gibt es im zweiten Teil des Bandes noch einen multiperspektivischen Blick in die Zukunft, über den es sich nachzudenken lohnt.
Christine Friederich, Duisburg
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