Gedanken zum Krieg in Europa
Die Akademie Theologie veröffentlicht eine Vortragsreihe als Buch
Das Thema ist der Einrichtung so wichtig, dass die Akademie Theologie des Kirchenkreises Hamburg-West / Südholstein zum ersten Mal eine Vortragsreihe als Buch herausgebracht hat. "Krieg und Frieden" hieß die Reihe, die im vergangenen Jahr veranstaltet wurde. Unter demselben Titel sind die acht Vorträge nun als Buch erschienen. Auf rund 150 Seiten geht es unter anderem darum, ob Christen Pazifisten sein müssen, wie die Bundeswehr eingesetzt wird und was ein Militärpfarrer erlebt hat. Das Buch soll Denkanstöße geben für eine "ethisch verantwortbare Haltung zu den drängenden Fragen unserer Zeit", schreiben die Herausgeber Wera Lange und Michaela Will im Vorwort.
Als die Kirche vom Krieg begeistert war
Im ersten Text erklärt Monika Schwinge, ehemals Pröpstin des Kirchenkreises Pinneberg, am Beispiel der Bibel, wie man unter Berufung auf Gott gewalttätig sein
kann und welche Rolle dabei die Heiligen Schriften spielen. Sowohl das Alte als auch das Neue Testament enthalt Stellen, die sich schwer zusammenbringen lassen, etwa die Gewalt gegen andere Völker und die Ankündigungen eines kosmischen Friedens im Alten Testament. Seit der Aufklärung habe man gelernt, biblische Aussagen nicht zu verabsolutieren. Man müsse sich mit den Texten über Gewalt auseinandersetzen im Vertrauen auf Gott, der das Heil für alle Menschen will. Für den Koran erklärt Imam
Halima Krausen, Gastwissenschaftlerin an der Akademie der Weltreligionen der Universität Hamburg, was dort über Krieg und Frieden steht. Sie lenkt dabei den Blick auf Stellen, die eher zur Rücksicht mahnen und Vergebung fordern. Sie erklärt, dass
man ein heiliges Buch nicht wie eine Betriebsanleitung lesen könne, sondern es auch aus seiner Entstehungsgeschichte verstehen und im Dialog mit anderen lesen müsse.
Thomas Dope, Propst im Kirchenkreis Hamburg West / Südholstein beschreibt, wie die evangelische Kirche den Ersten Weltkrieg begleitete: Eine Mehrheit der Pastoren und Professoren stimmte in die Kriegsbegeisterung ein und hielt sie aufrecht. Die Kirche hatte Mitglieder verloren, sie wollte wieder mehr Einfluss. "Sie erhofften sich durch ihre intellektuelle Einstimmung in den Hurra-Patriotismus die Rückkehr des Volkes in die Kirche", schreibt Dope. Es sei eine Errungenschaft aus beiden Weltkriegen, dass sich die evangelische Kirche nun kritisch zu Kriegen äußere. Ob dies aber so bleiben wird, stellt Thomas Dope infrage: "Ich bin aufgrund der
geschichtlichen Betrachtungen nicht von der grundsätzlichen Friedfertigkeit religiöser Menschen überzeugt. Sie können beides sein: friedliebend und kriegstreibend."
Was der Krieg mit den Menschen macht, damit befasst sich Pastorin Sabine Denecke von der Beratungsstelle des Kirchenkreises Hamburg-West / Südholstein. Sie schreibt, auch nach drei Generationen im Frieden sei es so, "als hätte sich der Krieg in unsere Seelen eingebrannt". In ihrem Vortrag zeigt sie, dass Krieg nicht mit der tatsächlichen Kriegszeit endet, sondern weit darüber hinausgeht - zum Beispiel bei denen, die damals noch Kinder waren und bis heute erschrecken, wenn sie Sirenen hören.
Und noch mehr: Die Traumatisierungen werden an die nächsten Generationen weitergegeben. "Kriegstraumatisierungen zerbrechen die Seelen der Großeltern, der Eltern und der Kinder", schreibt Sabine Denecke und nennt als einziges Mittel, sie sich
einzugestehen und darüber zu sprechen.
Friederike Lübke
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