Der vorliegende Band, zweifelsohne ein ausgezeichneter Beitrag zu den
Quellen der Edith Stein Forschung, formell und ästetisch sehr gut vom Traugott Bautz Verlag gestaltet, spannt einen weiten
Bogen im Werke Edith Steins mit seinem komplexen Inhalt von Edmund Husserl hin zu Thomas von Aquin. Herausgegeben von Peter
Volek, ein hervorragender Kenner der steinschen Gedankenwelt, zehn Beiträge, geschrieben von bekannten und weniger bekannten
Forschern, bieten eine bedeutsame Zusammenschau wertvoller Aspekte verschiedener Zugänge zu den Quellen des steinschen Werkes
an und stellen gewiss einen gelungenen Versuch dar "Brücken zu schlagen", so wie die Serie Ad Fontes des Verlages es beabsichtigt
und durch eine gelungene Darstellung unterstreicht. Die erste Studie bietet eine gute Kontextualisierung des Werdeganges des steinschen Denkens an, erarbeitet von Hanna-Barbara
Gerl-Falkovitz unter dem Titel Edith Stein zwischen Edmund Husserl und Thomas von Aquin (12-34). Die bekannte Edith Stein
Forscherin beschreibt nicht nur das steinsche Denken in seinen verschiedenen Phasen über Psychologie und Pädagogie hin zur
Phänomenologie, sondern legt auch dar wie Edith Stein Abstand nimmt von ihrem verehrten Meister Husserl sobald es um die
Existenz der Wirklichkeit geht, die sie auf grund ihrer Begegnung mit Thomas von Aquin als Gewissheit erkennt und methodisch
besser durchdenkt was besonders zwei grundlegende Themen anbetrifft. Es geht nämlich um die Analogia entis in ihrer zweifachen
Ausprägung der Proportionalität, vorzüglich nicht proportional, und um die Theo-ontologie, in Aristoteles fundiert, aber neu vom
Sein her durchdacht. Treu ihrer Methode, von Gerl Falkovitz als "Entsprechung" bezeichnet, nimmt Stein jedoch eine bedeutsame
Wende von Thomas zu Agustin vor, wenn sie auf grund von Ex 3,14 den dreifaltigen Gott als denjeningen begreift DER IST als Person.
Damit gewinnt Stein eine Base für das Verständnis des menschlichen Ich, das als Person im eigenen Innesein sich zum Andern hin öffnet.
Das endliche Selbstsein vollendet sich deshalb vom göttlichen Dreifaltig-sein her, obwohl es als solches dennoch gebrechlich bleibt,
was im unendlichen Abstand zum Person-sein Gottes in Seinem dreifaltigen Geheimnis begründet ist. Die Auslegung der Entfaltung dieses
Geheimnises im letzten Teil des Beitrages bekundet zweifelsohne jene beeindruckende Kenntnis der Gedenkenwelt Steins, die immer wieder
in Gerl-Falkovitz´s Studien zu finden ist. Dennoch bleiben gewisse Fragen angesichts der hier vorgelegeten Darstellung offen: Warum
besteht die Forscherin auf die "Entprechung" als steinsche Methode, wenn sie konkret wiederholt feststellt, dass Stein sowohl Husserl
als Thomas verlässt. Wäre es nicht wünschenswert, die Diskontinuität und Originalität des Steins Denkens mehr hervorzuheben? Gewiss
ist es einsichtig, wie Gerl-Falkovitz die Bedeutung der "Person" in der Gedankenführung Steins schnell zum Zuge bringt. Jedoch befremdet
es, dass der theologisch philosophische Begriff "Person" in seiner komplizierten Eigenart nicht besser im steinschen Werk herausgestellt
und durch präzise Analysen gefüllt wird, so dass sich neue Zugänge zum Verständis Steins ergeben würden, wenn man z.B. die Bedeutung
der "einfachen Seinsgewissheit" in der steinschen Beweisführung bedenkt. Schliesslich wäre es wünschenswert, den Gebrauch des Begriffes
"Theo-Ontologie", obwohl vollständig gerechtfertigt, näher zu klären was die Kritik Heideggers diesbezüglich anbetrifft. Die zweite Studie des vorliegenden Bandes, René Raschke, Der philosophische Ort des Frühwerkes von Edith Stein. Versuch einer Skizze
von Motiven und Einflüssen der frühen Phänomenologie ( 35-51), bietet zweifelsohne ein gelungenes Panorama der grossen Linien des
wissenschafftlichen Kontextes des Steinschen Denkens an und weitet so seine eigentlichen Knotenpunkte bezüglich der Verbindung der
Steinschen Methode zum Naturalismus, Psycholismus und Historizismo derart aus, dass die Eigenart Stein zum Zuge kommt als ein Nein
zur Integration des Wissen um den Geist in den einzigen Zusammenhang der Natur, eine Pyschologie als Wissenschaft der Psyche-Seele-,
"ohne Seele" und einer historischen Betrachungsweise von Prozessen des Seins, das sich letzlich nur in der steinschen Seinsphilosophie
richtig öffnet. Obwohl die grundlegenden Linien dieses Beitrages als etwas grob geschnitten erscheinen, sind sie dennoch hilfreich
um das Wesentliche der Eigenleistung Steins richtig zu erfassen. Wenn sich nun von diesem weiten Kontext her der Inhalt des vorliegenden Bandes zu drei spezifischen Beiträgen über die "Individualität"
des Menschen und sein fortschreitendes vertiefte Verständnis bei Edith Stein hin öffnet, stellt die Studie von Barbara Simonic, How
to comprend the other (52-73) ohne Zweifel eine günstige Brücke dar zu dieser komplizierten Thematik auf grund der gelungenen Analyse
des bedeutenden steinschen Begriffes der "Einfühlung" und seinen Quellen, -Begriff den die Forscherin in ihrer Breite und Tiefe mit
Geschick und Wissen so analisiert und darstellt , dass die weiteren Beiträge sich lückenlos in diese Problematik einfügen und sie in
etwa klären oder verdunkeln. In der Tat, die Studie von Francesco Alfieri, "Hin zu einer Lösung der Frage nach dem "principium individuationis"
in den Untersuchungen von Edith Stein und Edmund Husserl. Das Problem der " materia signata quantitate" (74-113) fächert die komplizierte
Problematik des principium individuationis so auf, dass viel Interesse aufkommt bezüglich der angebotenen Information, jedoch leider
eine endgültig überzeugende Lösung des Problems nicht sichbar wird, -mehr noch: manche Stellen der Beweisfühung lassen aufhorchen und
drängen spontan zu der Frage: Ist das hier Gesagte wirklich genug, um die Tiefe dieses Problems in Stein zu erfassen, oder möchte man
nicht trotz allem die Lösung, schon früher durch Peter Volek vertreten, vorziehen, dass die Form das eigentliche principium individuationis
darstellt? Verschieden von den Ergebnissen der letzlich unbefriedigten Ausführungen Alfieris, wird dann aus dem folgenden Beitrag von
Christof Betschart, Edith Steins Verständnis der menschlichen Individualität in Endliches und ewiges Sein. Ein Beitrag zur kritischen
Auseinandersetzung mit dem thomistischen Standardverständnis der Individuation (114-131), ein präzisches und gutbelegtes Vorgehen
ersichtlich, dem man gern zustimmt. Peter Volek, Der freie Akt im Frühwerk von Edith Stein im Vergleich zu Thomas von Aquin (132- 149)
seinerseits überzeugt, mit seiner im Frühwerk Steins erschlossenen Beweisfühung bezüglich des freien Aktes, wie es ihm als
ausgezeichneter Stein Kenner bereits im Spätwerk Steins gelungen ist. Eine neue Brücke innerhalb des vorgelegten Buches bietet dann Anna Jani an mit ihrer Studie, Der Übergang von der Husserlschen
Fragestellung zur Seinsphilosophie. Von der Methodenfrage zur Ontologie des Seins (150-170). Die Forscherin zeichnet den unleugbaren
Übergang Steins als Husserl Schülerin zur eigenen Seinsphilosophie, von Thomas beeinflusst, mit Geschick und viel Wissen nach.
Dennoch ist eine Vertiefung Husserl´s bedeutsam, so wie Josef Uram, Husserls Philsophie als indirekte Hilfe auf dem Weg zu Gott
bei Edith Stein (171-187) sie vornimmt, d. h, die Philosphie dieses grossen Philosophen öffnet nicht allein Wege zur Selbsterkenntnis
und Erkenntnis der Welt, sondern auch zur Gotteserkenntnis , obwohl Husserl selbst der Öffnung zur Überwelt gegenüber zurückhaltend bleibt. Gewiss ist es von grösster Bedeutung für das Verständnis Steins, nicht nur als Philosophin sondern auch als Erzieherin, dass der
vorliegende Band mit zwei Studien über die Bildung dieser grossen Denkerin schliesst, Józef Kormos, Erziehungsphilosphische Gedanken
bei Edith Stein (188-206) und Elisabeth Donabaum, Lernen-unter Bedingungen der Globalisierung (207-240),-Beiträge, die sowohl
metaphysische als auch praktische Schlussfolgerungen enthalten, die von unleugbarem Nutzen sind für unsere heutige Zeit. Schliesslich sei bemerkt, dass eine sehr gute, spezifisch nützliche, Bibliographie, so wie eine reichhaltige Information über
die Forscher und ihre Beiträge zur Stein Forschung den vorliegenden Band als wertvollen Beitrag zur Stein Forschung ausweisen,
dem nur zu wünschen ist, dass er viele Leser errreicht. Anneliese Meis
Facultad de Teología
Pontificia Universidad Católica de Chile
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