"In keinem anderen Land der Welt habe ich mich so frei gefühlt wie in Ghana." Der Literaturwissenschaftler Rainer Hackel, international renommierter Spezialist für das Leben und Werk der Dichterin Gertrud
Fussenegger und des Bildhauers Arno Breker, langjähriger Lektor von Ernst Herhaus sowie langjähriger Brieffreund Ernst Jüngers,
in dessen Alterstagebüchern "Siebzig verweht" er auch Erwähnung fand, legt mit den beiden im Verlag Traugott Bautz erschienenen
Büchern "Stromausfall im Paradies" und "Ärger im Paradies" ein Zeugnis jener Faszination ab, die auf ihn seit über 20 Jahren das
westafrikanische Land Ghana ausübt. Zwei Welten ist der Verfasser hier gleichermaßen im Konflikt wie im Dialog aufzuzeigen bestrebt: Auf der einen Seite die vermeintlich
überlegene, aufgeklärte westliche Welt mit ihrer Technologie und ihren hausgemachten Problemen, auf der anderen Seite die Welt des
vermeintlich "unterentwickelten, rückständigen" oder höflicher formuliert "urwüchsigen, naturverbundenen" schwarzen Kontinents.
Frei von romantisierender Verklärung bringt Hackel seinen Lesern das magisch-mythische Lebensgefühl der einheimischen Kulturnähe,
ohne dabei politische und ökonomische Gegebenheiten auszublenden oder gar zu beschönigen. In "Stromausfall im Paradies" wechseln persönliche Anekdoten mit essayistischen Passagen, in deren Rahmen Hackel die Möglichkeiten
eines tatsächlichen geistigen Austauschs zwischen westlicher und traditionell afrikanischer Kultur auslotet. Basierend auf Erörterungen
des durch den senegalesischen Dichter und Politiker Léopold Sédar Senghor geprägten Begriffs der Négritude", welcher die kulturelle
Selbstbehauptung aller Menschen Afrikas bezeichnet, zeigt er die Wunden auf, die der Kolonialismus geschlagen hat und die vielfach
bis heute noch nicht verheilt sind, vielleicht aber doch noch heilen können. In "Ärger im Paradies" behauptet sich das erzählerisch-anekdotische Element gegenüber dem Essayistischen des Vorgängerbandes. Wir
werden unter anderem Zeuge von Hackels erster Reise in jenes westafrikanische Land, das ihm, ungeachtet aller wirtschaftlichen und
gesellschaftlichen Spannungen, in der Tat wie ein irdisches Paradies erscheint; wir erleben seine nicht gerade unkompliziert sich
gestaltenden Bemühungen nach, an einen Strommast für sein Grundstück zu gelangen, und wir erfahren die Geschichte einer aus
Deutschland nach Ghana zurückgekehrten Frau, die sich dem laxen Umgang ihrer Verwandtschaft mit ihren Besitztümern sowie dem
sehr kulanten Vorgehen der Polizei gegenüber den Übeltätern gegenübersieht. Dem Land mit dem unbeliebten Präsidenten, dem korrupten Justizapparat und einer Exekutive, die zwar auch Verbrecher jagt, der man aber
besser nicht seine Fahrzeugpapiere zeigen sollte, wenn diese verlangt werden, dafür aber gegen eine kleine Zuwendung auch gerne mal ein Auge
zudrückt, werden Eindrücke aus Deutschland gegenüber gestellt: Hier werden Parkplätze vor Banken zwar nicht vonmaschinenpistolenbewehrten
Vertretern der Militärpolizei, wohl aber von aggressiven Handybesitzern überwacht, mit denen nicht zu Spaßen ist! Einem hierzulande immer noch allzu weit verbreiteten, sinnentleerten Perfektionsstreben, das letztlich nie zum Ziel führt, wohl
aber stets in Pedanterie mündet, bietet sich laut Hackel eine "afrikanische" Alternative an: Das Leben in seiner Unvollkommenheit
hinzunehmen und somit einen Weg zur Erkenntnis seiner Schönheit finden zu können. Hackel versteht es auf unprätentiöse Weise, den Zauber heraufzubeschwören, den Afrika und insbesondere Ghana von Jugend an auf ihn ausübten.
Darüber hinaus erfährt der Leser seiner Bücher viel über die aktuelle Situation in Ghana und die Situation von Afrikanern im heutigen
Deutschland: Nicht nur angesichts der gegenwärtigen Flüchtlingskrise ein Themenbündel von anhaltender Aktualität!
"In keinem anderen Land der Welt habe ich mich so frei gefühlt wie in Ghana." Dieser Satz aus dem zweiten Band läst sich ohne
weiteres als Kernaussage beider Werke verstehen.
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