Bernd Jaspert

Sterben

Rezension


Warum man Abschiednehmen lernen muss
IN TANN LEBENDER AUTOR BERND JASPERT schrieb ein Buch über das Sterben

"Abschiednehmen kann man nicht einfach so. Man muss es lernen. Und manchmal lernt man es schwer", reflektiert der renommierte evangelische Theologe und Buchautor Dr. Bernd Jaspert (71) in seinem jüngsten Werk. Das trägt den sehr sachlich gehaltenen Titel "Sterben". Es behandelt in dreizehn Kapiteln grundlegende Aspekte, die mit dem Tod von Menschen in Verbindung stehen, aus christlicher Sicht.

Meistens würden wir es verdrängen, "dass das Abschiednehmen genauso zu unserem Leben gehört wie das Empfangen", bemerkt der in Tann lebende Autor in seinem rundum informativen Werk, das sowohl Ratgeber als auch eine philosophische Ermutigung zum Glauben ist. Das Buch eignet sich aufgrund der übersichtlichen Kapitel-Struktur aber durchaus auch als Nachschlagewerk für Trauernde, deren Kopf nach dem Verlust gewöhnlich voller Fragen ist und wenige Antworten darauf kennt.

Der Autor, der über drei Jahrzehnte im Pfarrerdienst der evangelischen Kirche tätig war und eigenen Angaben zufolge schon viele Menschen beim Sterben begleitet hat, geht selbst schwierigsten Fragestellungen nicht aus dem Weg. So ist beispielsweise ein Kapitel, das sich dem Gottvertrauen widmet, mit der Frage "Sterben - wozu?" überschrieben. Da hierin die Frage nach dem Ziel des Sterbens stecke und man dies je nach Denkweise und Religionszugehörigkeit unterschiedlich beantworten könne, sei die Frage "gar nicht so dumm". Das Christentum habe überdies hinaus eine klare Antwort auf die Frage - nämlich, dass der Mensch durch seinen Tod zu Gott gelange. Wobei der Theologe mit Hinweis auf einzelne Bibelstellen den Blick darauf lenkt, dass Menschen nicht erst ins Jenseits kommen müssten um Gott zu begegnen. Er sei vielmehr - und zwar in Jesus Christus - immer präsent, gestern heute und in Ewigkeit. Das zu glauben, räumt Jaspert ein, falle manchem angesichts des Elends, des Leids und der vielen negativen Dinge in der Welt schwer. Zweifelnde Menschen wurden sich dann fragen, ob selbiger nicht gnädiger, großzügiger und liebevoller sein müsste?

Jaspert findet darauf glasklare Worte in Richtung Selbstverantwortung des Menschen. "Gott ist nicht der Lückenbüßer für unsere eigenen Versäumnisse an Mitleid, Liebe, Vergebung und Versöhnung. Hier müssen wir selber etwas verändern, wenn es besser werden soll mit den menschlichen Verhältnissen", stellt er eine Forderung, die angesichts der internationalen Entwicklung hochaktuell ist. Zudem müsse Gott nicht wie ein "deus ex machina" Sehnsüchte nach Frieden, Gerechtigkeit und Erhaltung der Schöpfung erfüllen, "dafür sind wir selbst verantwortlich", so der gebürtige Saarländer, der vor seinem Ruhestand im Jahr 2009 unter anderem einen Lehrauftrag für Kirchengeschichte an der Philipps-Universität Marburg wahrgenommen hatte.

Unterdessen redet Jaspert auch im Kapitel "Ehrlich sein" ohne Umschweife Tacheles. So sollte derjenige, der sterbe, ehrlich sein - vorausgesetzt, dass er noch kommunizieren kann, rät Jaspert. "Es hat keinen Sinn, jetzt noch irgendetwas zu beschönigen oder zu verheimlichen", untermauert der stets praxisnah arbeitende Wissenschaftler.

Viel Unglück und Durcheinander bei den Angehörigen entstünde dadurch, dass der Verstorbene zuvor nicht ehrlich zu ihnen gewesen sei, schildert der Autor. Wobei Streitereien unter Angehörigen "zum Peinlichsten" gehören würden, was Familienfremde - etwa Bestatter, Pfarrer, Ärzte oder Pfleger - in ihrem Job erleben könnten.

Bernd Jaspert legt nicht nur schonungslos alle noch so kleinen Facetten und Aspekte des Sterbens dar, sondern er thematisiert auch einen aktuellen Trend. So gehe es heutzutage vielen Menschen - auch Christen - längst nicht mehr darum, die "Seligkeit" im Jenseits bei Gott erlangen zu können. Vielmehr steht für sie im Mittelpunkt, wie sie möglichst ohne Schmerzen und friedvoll "einschlafen" konnten. Jaspert blendet nicht aus, dass viele heutige Christen darüber hinaus die seit Jahrhunderten in verschiedenen Religionen verbreitete Idee der Wiedergeburt vertreten würden und auf diesem Wege hofften, etwas vom "hiesigen Leben" in ein "Jenseits" retten zu können.

Für Theologe Jaspert heißt "selig sterben" indes "glücklich sterben". Und das, sagt er im letzten Satz eines kleinen Buches mit bemerkenswert großer Strahl- und Aussagekraft, werde nur derjenige oder diejenige, welche auf die Kraft Gottes vertraue, "auch den Tod für uns zu überwinden und uns in ein neues Leben zu holen".

Mirko Luis


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