Andreas Büchtemann

...und die Sonne Homers, siehe! sie lächelt auch uns

Erinnerungen eines Pfarrerssohnes und DDR-Bürgers

Rezension


Gerd-Christian Th. TREUTLER; gerd-christian.treutler@bggroteradler.de

Andreas BÜCHTEMANN: …und die Sonne Homers, sieh! Sie lächelt auch uns

Erinnerungen eines Pfarrersohnes und DDR-Bürgers

Es sollte keine Familienchronik werden und ist es doch auf ganz eigene Weise geworden. Diese außergewöhnliche Autobiographie eines eigentlich gar nicht außergewöhnlichen Menschen, wie der Autor selbst ganz bescheiden bemerkt, ist in ihrer unspektakulären Unaufgeregtheit, vor allem aber in ihrer gänzlich unpolemischsachlichen und doch überaus persönlichen und damit zutiefst authentischen Weltsicht eben doch außergewöhnlich, dabei leicht lesbar, oft anekdotisch-launig.

Andreas Büchtemann ist vieles – Familienmensch, Pfarrerssohn, Christ, Musiker, Naturwissenschaftler, Staatsbürger, Privatmann und Weltweiser eigener Art. Den gebürtigen Brandenburger des Jahrgangs 1949 trieb der Wunsch an, am Ende seines Berufslebens Rückschau zu halten, Bilanz zu ziehen und Selbstverständnis zu finden. Dass dies nicht zur Nabelschau geriet, macht sein Buch so wertvoll für einen breiten Leserkreis, wie er einleitend selber hofft. Büchtemann stellt sein Leben nicht nur in die Reihe seiner Vorfahren und ihrer Schicksale, deren Reflexionen uns in seinen Lebenserinnerungen immer wieder begegnen, sondern stets auch in den gesellschaftlichen Kontext. Er vermag es, die Rolle seines Ururgroßvaters in den napoleonischen Kriegen, seines Großvaters zur Kaiserzeit und seines Vaters im „Dritten Reich“ aus einer ganz individueller Sicht heraus, mit den historischen Ereignissen zu verknüpfen. Das sein Großvater als Organist an der Brandenburger St- Gotthard-Kirche und sein Vater als Pastor und bildender Künstler in der Altmark und Brandenburg, ebenso wie seine eigene Laufbahn als Physiker an der Akademie der Wissenschaften und am Fraunhofer-Institut in Potsdam durchaus Ein- und Ansichten ermöglichen die jenseits des Trivialen liegen, macht die Schilderungen über die Einzelpersonen hinaus bedeutsam. Sie kommen aus der Mitte der Gesellschaft und spiegeln sie aus sich. Dabei wird der Bogen vom Kaiserreich über die Weimarer Republik, das „Dritte Reich“, die Nachkriegszeit und die DDR bis in die Bundesrepublik des Jahres 2014 geschlagen. Naturgemäß nimmt das Leben des Autors und seiner Familie in der DDR den größten Raum ein. Ob die Schulzeit in Klein Kreutz, Roskow und Brandenburg, Studium in Jena und Berlin, Promotion, Wehrdienst und schließlich ein Forscherleben, hauptsächlich auf dem Gebiet der Polymerchemie, stets begleiten Schilderungen des Familienlebens, Reisen und gesellschaftliches Engagement ebenso wie prägende Begegnungen mit Zeitgenossen und eigene Sichten auf öffentliche Ereignisse die Erzählung. Büchtemann war Pfarrerssohn, FDJ-Sekretär, in der Betriebsgewerkschaftsleitung, als religiöser Sozialist, wie er sich sah, in der CDU der DDR aktiv, Schöffe am Kreisgericht Potsdam und „West-Reisekader“ trotz reichlich „Westverwandtschaft“ und eines Paten namens Prof. Dr. Hubertus Prinz zu Löwenstein-Wertheim-Freudenberg. Er ist selbst Beweis, dass Geschichte und Gesellschaft niemals eindimensional und widerspruchsfrei sind, sondern viele Betrachtungsweisen zulassen, zugleich große Freiheiten und große Begrenzungen bergen.

Büchtemanns Schilderungen über alle Zeitläufte hinweg bis zur Gegenwart in gleicher sachlich-wahrhaftiger Weise machen dieses Buch wichtig. Zeitgeschichte so zu betrachten und zu schildern ist mutig, denn er bedient keine Klischees oder vermeintlich politisch korrekte Darstellungen, sondern fordert zur Auseinandersetzung heraus, weil er eigene Standpunkte bezieht. Das Buch macht Mut, sich selbst durch die ehrliche Reflexion der eigenen Lebensgeschichte in den Diskurs einzubringen.

Andreas BÜCHTEMANN: … und die Sonne Homers, siehe! Sie lächelt auch uns. Erinnerungen eines Pfarrersohnes und DDR-Bürgers, Verlag Traugott Bautz, Nordhausen 2014, ISBN 978-3-88309-895-1, 260 S. Broschur, zahlreiche Bilder, Personennennungen und orts- und organisationsgeschichtliche Hintergründe.

Andreas Bichtemann
*ca. 1790 Borne/Altmark, †ca. 1860 Borne

Karoline Luise Henriette Bolte
*1803 Bückeburg, †1896 Bückeburg

N. Bichtemann
*ca. 1820 Borne, †ca. 1910 Borne

N. Bolte
*ca. 1830, †ca. 1900

Friedrich Andreas Bichtemann
Großbauer in Borne/Altmark
*15.02.1871 Borne, †23.05.1943 Borne
geheiratet ca. 1895 Alma Reinecke
*18.05.1872Bisdorf, †05.03.1951 Borne

Heinrich Adolf Bolte
Organist in Brandenburg/Havel
*12.12.1874 Flensburg, †23.05.1950 Brandenburg
geheiratet 1903 Anna Jacobine Marie Möller
*26.09.1877 Flensburg, †06.08.1957 Brandenburg

Paul Ernst Emil Bi(ü)chtemann oo 1938 BRB
*12.10.1900 Borne/Altmark,
†07.02.1976 Brandenburg/Havel
(Brüder Willi und Erich)
Dipl.-Volkswirt, Theologe,
Pfarrer in Tarthun, Bretsch, Milow/Havel, Petersroda bei Bitterfeld, Klein Kreutz

Friedgard Bolte
*05.03.1908 Brandenburg ,
†31.05.1998 Klein Kreutz
(Schwestern Annemarie und Gerda)

Andreas Büchtemann, *1949 Brandenburg/Havel Dr. rer. nat., Physiker
oo 1972 Potsdam mit Barbara N., Tochter d. Kapellmeisters am Potsdamer Hans-Otto-Theater,
Fachärztin für Allgemeinmedizin (zwei Kinder)


Copyright © 2014 by Verlag Traugott Bautz