Wolfgang D. Kramer

Die Einbürgerung von "Leistungsdeutschen"

Gedanken und Vorschläge der Europäischen Ausländerinitiative Hamburg
zu Deutschlands europäischer Zukunft

Abstract / Rezension


Aus dem Vorwort


Was ist die "Europäische Ausländerinitiative"?

Die Europäische Ausländerinitiative e.V. ist ein Club d'Idée und ein kleiner Hilfsverein. Er lässt sich leiten von dem Gedanken Jean Monnet's, dass die supranationale Einigung Europas ein "Beitrag zur Verbesserung der Welt" ist. Darüber hinaus ist sich die Initiative in Erinnerung an die Untersuchungen von Hannah Arendt dessen bewusst, dass die Einhaltung von Recht und Menschenrechten gegenüber Ausländerinnen und Ausländern mit unsicherem Aufenthaltsstatus immer eine besondere Herausforderung für den nationalen Rechtsstaat ist.
Die Europäische Ausländerinitiative entstand aus einer Arbeitsgruppe der Europa-Union Hamburg. Diese hatte sich 1967/68 für gewerkschaftlich organisierte griechische Arbeitnehmer, die in Hamburg von Schlägertrupps der damaligen griechischen Militär-Junta zusammengeschlagen wurden, engagiert. Aktionen, Flugblätter, Veranstaltungen, eine Ausstellung in der Universität über Konzentrationslager des Militärregimes bis zu einer Happening-Veranstaltung im Szenelokal "Grünspan" mit Verleihung eines symbolischen, damals rechtlich noch nicht existenten Europapasses an einen geflüchteten griechischen Schriftsteller, fanden bei der örtlichen Presse starke Beachtung, weniger jedoch bei Abgeordneten der politischen Parteien. In dieser Zeit unternahm der spätere Vereinsvorsitzende Wolfgang D. Kramer eine Reise nach Brüssel und besuchte dort einen Freund, der inzwischen wohl-bestellter EU-Beamter war. Dieser beklagte sich heftig, dass kurz vor den belgischen Kommunalwahlen nur derjenige Teil der Straße asphaltiert worden war, der in seinem Beamtenwohnvorort zu den Häusern der belgischen EU-Beamten führte.
Er und sein französischer Kollege dagegen mussten mit ihrem schönen Wagen weiter durch den Dreck fahren. Kramer lachte schallend: "Oh, du armer Gastarbeiter!" Damit war die Idee des kommunalen Wahlrechts für europäische Unionsbürger geboren. Offensichtlich hatte der gut bezahlte deutsche EU-Beamte in Brüssel mit den griechischen Arbeitnehmern in Hamburg eines gemeinsam: Beide hatten lokal kein Wahlrecht, was dazu führt, dass sie auch keine Lobby bei den kommunalen Politikern hatten, denn Parteien interessieren sich mehr für Wählerinnen und Wähler als für Nichtwählerinnen und Nichtwähler. Wolfgang Kramer brachte die Idee des kommunalen Wahlrechts für europäische Unionsbürger über den Hauptverband der Europa-Union Deutschlands in die öffentliche Diskussion ein. Kramer war dann lange Zeit geschäftsführender Vorsitzender der Arbeitsgruppe Ausländerpolitik im Präsidium der Europa-Union Deutschlands.

In den 1980er Jahren konstituierte sich in Hamburg die Europäische Ausländerinitiative als selbstständiger eingetragener Verein. Nun nahm der Verein seine Arbeit auf mit konkreten Einzelmaßnahmen für junge intelligente Menschen mit gutem Willen, aber "schlechtem" Aufenthaltsstatus.

Mitte der 1990er Jahre setzte sich die Europäische Ausländerinitiative in einer Denkschrift kritisch mit der national-konservativen Ausländerpolitik der damaligen Bundesregierung auseinander und kam zu der Feststellung, dass entgegen der These, Deutschland sei kein Einwanderungsland, zumindest über die europäischen Unionsbürger und "andere Inländer ohne deutschen Pass" (gemeint waren Ausländer mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung) Deutschland nicht mehr einfach verfügen könne. Denn supra-nationales Europarecht bricht deutsches nationales Recht. Und die allgemeinen rechtsstaatlichen Bestimmungen der Europäischen Union würden es Deutschland auch verbieten, den gefestigten Aufenthaltsstatus von Menschen mit unbefristeter Aufenthaltserlaubnis oder Aufenthaltsberechtigung einfach wieder aufzuheben. Die Einwanderung, die bereits in Deutschland vollzogen war, wäre nicht mehr vollständig rückgängig zu machen.

1999 protestierte die Europäische Ausländerinitiative gegen die Unterschriftenaktion der hessischen CDU, die sich gegen die doppelte Staatsbürgerschaft wandte. Die Europäische Ausländerinitiative vertrat die Auffassung, dass die doppelte Staatsbürgerschaft zwar keineswegs die Lösung aller Probleme sei. Aber sie war für Differenzierung und lehnte Populismus ab. Einen Landtagswahlkampf wie in Hessen, auf Kosten von Ausländern ohne Wahlrecht, die sich also nicht wehren konnten, zu führen, hielt die Europäische Ausländerinitiative für unfair.

Seit 1997 bemüht sich die Europäische Ausländerinitiative um ausländische Schülerinnen und Schüler mit guten Schulnoten, aber mit "schlechtem" Aufenthaltsstatus. Zunächst waren nur vereinzelte Lösungen über Adoption, Übertragung von Sorgerechten und Schulpatenschaften möglich. Dann verbündete sich die Europäische Ausländerinitiative mit den Brüdern von Taizée, die Ende 2003 einen großen Jugendkongress in Hamburg abhielten. Dadurch, dass die Brüder von Taizée die Forderung der Europäischen Ausländerinitiative nach einem "Gnadenrecht im Ausländerrecht" in ihr Gebet aufnahmen, bekam diese Forderung eine im Hamburger Rathaus durchaus registrierte "internationale Massenbasis". Es kam zur Einrichtung einer Härtefallkommission.

Auf ungeahnte Widerstände stieß die Europäische Ausländerinitiative mit der Forderung, geduldete Ausländerinnen und Ausländer, denen man gestattet hatte, noch in Deutschland das Abitur zu machen, auch in Deutschland studieren zu lassen. Nur wenn ausländische Schülerinnen und Schüler in ihr Herkunftsland ausreisten, um sich dort in einem deutschen Generalkonsulat das "richtige Visum" für den Status eines ausländischen Auslandsstudenten/ studentin zu besorgen, war bisher ein Studium in Deutschland möglich. Eine Diplomatin, mit der die Europäische Ausländerinitiative diesbezüglich Vorgespräche geführt hatte, äußerte sich dazu wie folgt: "Aber das ist doch die reine Schikane, dass eine junge Dame zu uns hunderte Kilometer fahren muss, um einen Stempel zu bekommen, über den materiell in der Ausländerbehörde Hamburgs entschieden wird."

Seit 2009 bemüht sich die Europäische Ausländerinitiative darum, diese "Schikane" überflüssig zu machen: mit einer Petition an den Deutschen Bundestag und mit wiederholten Vorstößen bei der Hamburger Innenbehörde. 2010 hatte dann der CDU-Senat unter dem damaligen Ersten Bürgermeister Christoph Ahlhaus seinen Vorsitz in der Innenminister-Konferenz dazu verwandt, eine entsprechende Initiative der Innenminister der deutschen Länder zu veranlassen. Nachdem die Europäische Ausländerinitiative ursprüngliche Einwände beim Bundestag ausgeräumt hatte, trat das Gesetz am 1. Juli 2011 in Kraft. Nun heißt es:

§25a Aufenthaltsgewährung bei gut integrierten Jugendlichen und Heranwachsenden

Einem geduldeten Ausländer, der in Deutschland geboren wurde oder vor Vollendung des 14. Lebensjahres eingereist ist, kann eine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden, wenn: 1. er sich seit sechs Jahren ununterbrochen erlaubt, geduldet oder mit einer Aufenthaltsgestattung im Bundesgebiet aufhält,

2. er sechs Jahre erfolgreich im Bundesgebiet eine Schule besucht oder in Deutschland einen anerkannten Schul- oder Berufsabschluss erworben hat und

3. der Antrag auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis nach Vollendung des 15. Lebensjahres und vor Vollendung des 21. Lebensjahres gestellt wird ...

Bei der Europäischen Ausländerinitiative haben neben Deutschen anfänglich Franzosen, Italiener, Spanier und Portugiesen mitgewirkt. An der Verfassung dieser Gedanken und Vorschläge haben neben Deutschen Migranten aus Finnland, Polen, Kroatien, Bosnien, dem Kosovo, Mazedonien und der Türkei mitgewirkt. Die meisten sind eingebürgert.
Die Europäische Ausländerinitiative repräsentiert natürlich niemanden und sieht sich mit ihren Argumenten in dienender Funktion für bessere Lösungen.


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