Johann Friedrich Oberlin 1740-1826

Gesammelte Schriften

Briefwechsel und zusätzliche Texte Band I/1

1740-1783

Herausgegeben von Gustave Koch

Rezension


Er gilt als "einer der berühmtesten Elsässer in der Welt", "eine symbolische Figur des Dienstes am Nächsten". So schreibt der verdienstvolle Herausgeber dieses Bandes. Gustave Koch ist seit langem mit Oberlin beschäftigt. In der Einleitung erinnert er an das erste in internationale Oberlin-Kolloquium in Belmont 1965. Schon damals waren die späteren Oberlin-Biographen Erich Psczolla und John W. Kurtz beteiligt. Professor Rodolphe Peter regte die kritische Ausgabe von Texten und Briefen Oberlins an. Fast ein halbes Jahrhundert später konnte Koch nun diesen Band vorlegen, die Frucht vieljähriger Forschungsarbeit, die Koch in seinem Ruhestand seit 2000 wieder aufgenommen hatte. Die Texte und Erläuterungen sind durchgängig zweisprachig ausgerichtet.

Der Band enthält viel mehr als Oberlin Briefe. Die ersten Eintragungen, aus Oberlins späterem handschriftlichem Almanach, vermerken 1740 den Tod des älteren kleinen Bruders und dann am 31.8. den eigenen Geburtstag mit der Taufe in St. Thomas. Familiennachrichten wechseln mit zeitgeschichtlichen Ereignissen: Bengels Tod am 2.11.1752 und das Erdbeben von Lissabon am 1.11.1755. Vom Januar 1760 datiert die ausführliche Verschreibung seines Lebens an die Führung Gottes; Oberlin hat sie zehn Jahre später in Waldersbach bekräftigt. Der frühste erhaltene Brief vom 29.8.1764 enthält eine lebhafte Rechtfertigung an die Mutter eines Schülers, den er unangemessen bestraft haben soll (Nr. 12). Am 30. März 1767 kam Oberlin im Steintal an; "in diesem rauen Land', wie ein Student bedauernd zu dieser Berufung schrieb (Nr. 19), sollte er ein Leben lang wirken. Briefe seines Vorgängers Stuber (Nr. 29-34) und seiner künftigen Frau Salomé Witter (1747-1783) bezeugen das menschliche Umfeld seiner frühen Jahre. Lange Brief-Passagen handeln von den pädagogischen Initiativen: vom Bau des Schulhauses in Waldersbach 1769 (Nr. 51), der Einrichtung einer Strick- Schule (Nr. 67), Beurteilungen von Schulmeistern (Nr. 88). Er vertraut dem Tagebuch die manches Mal mühsame Arbeit an seiner Predigt an (Nr. 50). Seit 1771 Jean de Dietrich (1719-1795) Landesherr im Steintal wurde, entsteht ein lebhafter und vertrauensvoller Kontakt. (Nr. 74). Die Texte lassen erkennen, wie Oberlins Wirken allmählich auch in die Weite dringt. 1774 schreibt er einen ersten Brief an Lavater, "treueifrigen Seelsorger" in Zürich und dankt für dessen Unterstützung einer Sammlung zugunsten der Kirche in Fouday. (Nr. 112) Johann August Urlsperger in Augsburg war es, der Oberlin als Pfarrer für die Gemeinde Ebenezer im amerikanischen Georgia gewinnen wollte. Oberlin schrieb seinem Bruder Jeremias Johannes eine ausführliche Rechtfertigung, warum er in dieser Berufung Gottes Willen erkenne. Die letzte Notiz hält fest, warum sich dieser Plan zerschlug: "la guerre avec les Anglois étant survenue, on me dipensa de ma promesse" (358).

Dieser reiche Band enthält zwar viele Stücke, die bereits an einem andern Ort veröffentlicht wurden. Aber in der chronologischen, gut kommentierten Anordnung bringt er das Werden des Pfarrers im Steinthal neu zu Gesicht. Register zu Bibelstellen, Orten und Personen erleichtern dem Leser die Orientierung. Man möchte wünschen, dass diesem ersten Band bald weitere folgen mögen, die das Bild Johann Friedrich Oberlins weiter vertiefen.

Klaus Bümlein

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