Hans Moll

Ritalin und Liebe

Geschichte eines ADHS-Kindes und Jugendlichen

Rezension


Nein, dieses Buch ist weder von einem Pädagogen, Therapeuten oder Mediziner geschrieben, sondern von einem leidenschaftlichen Großvater, der seinen Enkelsohn über alle Maßen liebt.

Der Autor, Hans Moll, lässt keinen Zweifel daran, dass er sich mit der Diagnose ADHS, die ja eingentlich keine Diagnose, weil keine Krankheit ist, nicht abspeisen lassen will. Sein Enkelsohn Tom ist nun einmal anders als die anderen, zugegebenermaßen nervig, anstrengend, laut und chaotisch, aber ist er deshalb weniger liebenswert oder förderungswürdig? Mit aller Entschlossenheit geht der Opa an das Thema heran, packt den Stier quasi bei den Hörnern und nimmt sich seines Enkelsohnes an, den ihm seine völlig überforderte Tochter zur Erziehung anvertraut. Er informiert sich mit aller Sorgfalt über dieses Persönlichkeitsbild, indem er Studien liest und Abhandlungen mehrerer Kinder- und Jugendpsychotherapeuten durcharbeitet. Allein das Verständnis von ADHS genügt aber nicht, um gelegentlich auch den Rand von Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung zu streifen.

Aber so sehr der Junge auch eine Plage sein kann, so ist er auch kreativ, ideenreich und witzig. So respektlos er sein kann, so liebevoll ist er auch. Der Großvater würdigt in erster Linie die positiven Eigenschaften des Jungen und verwahrt sich bewusst vor Stigmatisierung und Vorurteilen. Und ganz ohne Ritalin geht es dann eben doch nicht, wenngleich im ersten Drittel des Buches ein frenetisches Plädoyer dagegen zu lesen ist: "Derr Stempel ADHS, der den Kindern zunehmend aufgedrückt wird, und die damit einhergehende Verabreichung von Psychopharmaka ist ein Seelenmord an unseren Kindern. Wir rauben Ihnen damit eine lebenswerte Zukunft, machen sie zu körperlichen und geistigen Krüppeln und Abhängigen der Pharmaindustrie! Anstatt die Ursachen anzugehen, werden Kindern wesenszerstörende Drogen verabreicht - um sie leichter lenkbar zu machen." Na, das ist doch mal eine Ansage!

Da in vielen betroffenen Familien die Hilflosigkeit überwiegt, werden den Kindern mehr Tabletten verabreicht, als es nötig wäre, wenn man stattdessen den Kindern eine angemessene Führung oder Lenkung angedeihen ließe.

Der Protagonist dieses Buches hat nun das unverschämte Glück, dass seine Großeltern, wenngleich berufstätig, immer noch über genügend Zeit verfügen, um sich angemessen mit ihm und seiner Besonderheit zu beschäftigen.

Dabei verschweigt der Autor nicht, dass gerade auch die Großmutter häufig am Ende ihrer Kräfte angekommen ist.

Und die Begriffe, die der Autor sehr häufig verwendet, erweckten den sicherlich falschen Eindruck, dass er ein wahrer Feldwebel sein muss, den den Jungen mehr drillt, als ihn liebevoll ins Leben zu führen. Erziehung, Bestrafung, Konsequenz, Regeln sind diese häufig verwendeten Vokabeln, die manchmal schon befremdlich wirken.

Auf der anderen Seite stehen die anrührenden Liebeserklärungen des Enkelsohnes an den Großvater.

Hans Moll erhebt nicht den Anspruch, einen Erziehungsratgeber für von ADHS betroffene Familien geschrieben zu haben. Es soll "Mut machen, dass Liebe und Zuwendung, Geduld und Nachsicht am Ende zu einem unverhofften, guten Ergebnis führen können". Und eine These sollte den Angehörigen von ADHS-Kindern unbedingt zu denken geben: "Ritalin ohne Liebe und Zuwendung bleibt ohne nachhaltige Wirkung!"

Heidi Kolboske,
Heilpraktikerin für Psychotherapie


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