Sebastian Tromp S.J.
KONZILSTAGEBUCH

mit Erläuterungen und Akten aus der Arbeit der Kommission für
Glauben und Sitten II. VATIKANISCHES KONZIL

Herausgegeben von Alexandra von Teuffenbach
BAND II/1 und BAND II/2 (1962-1963)

Rezension


Die Geschichtsschreibung zum wohl bedeutsamsten kirchenhistorischen Ereignis des 20. Jahrhunderts stützt sich in den letzten Jahren vielfach auf Dokumente, die nicht unmittelbar solche des Konzils selbst sind. Von besonderem Interesse sind dabei zweifellos die Tagebücher, Aufzeichnungen und Erinnerungen derer, die am Zweiten Vatikanischen Konzil, in welcher Rolle und Funktion auch immer, unmittelbar beteiligt waren. Unter den bisher der Öffentlichkeit zugänglich gemachten Hinterlassenschaften dieser Art ragen solche heraus, die bedeutende Konzilstheologen zu Verfassern haben. Es scheinen also - jedenfalls bis auf Weiteres - nicht so sehr die formellen Akteure selbst, also die Konzilsväter gewesen zu sein, die hier Wichtiges notiert und kommentiert haben, sondern deren theologische Berater, Unterstützer und Vordenker, die mehr im Hinterzimmer der Kommissions- und Informationsarbeit wirkten als auf der Bühne der öffentlichen Sitzungen "in aula". Dabei waren es bislang vorwiegend Gestalten, die man gewöhnlich der sogenannten Konzilsmehrheit zuzuordnen pflegt, die quantitativ wie qualitativ bedeutsames Material dieser Art hinterlassen haben: Im Vordergrund stehen hier besonders die französischen Ordensmänner Marie-Dominique Chenu, Yves Congar, Edward Schillebeeckx (alle OP) und Henri de Lubac (SJ), von deutscher Seite käme etwa Otto Semmelroth (SJ) hinzu, sobald dessen Aufzeichnungen, wie seit langem erwartet, ediert sein werden. Daher ist es für eine ausgewogene Sicht der Geschehnisse wie der Ergebnisse des letzten Konzils in besonderem Maße bedeutsam, wenn mit dem niederländischen, lange Jahre (1929-61) an der päpstlichen Universität Gregoriana lehrenden Jesuitentheologen Sebastian Tromp ein Tagebuchautor ans Licht der Öffentlichkeit tritt, der gemeinhin der Gegenseite zugerechnet wird: dem Kreis der kurialen Vorbereiter des Konzils, den Autoren der später oftmals verworfenen Schemata, den Unterstützern der konservativen Konzilsminderheit. Dies ist nochmals gewichtiger, insofern Tromp ja nicht als Theologieprofessor und Peritus eines Konzilsvaters in Erscheinung trat, sondern schon vor, aber auch auf dem Konzil verschiedene bedeutsame amtliche Funktionen innehatte. Bereits seit den Zeiten Pius XI. ist er dem Heiligen Offizium verbunden, unter Pius XII. muss er als einflussreicher Vordenker gelten, nicht zuletzt als "ghost writer" der Enzyklika "Mystici corporis". Als Professor der Fundamentaltheologie hatte er zudem viele spätere Bischöfe unterrichtet, denen er teilweise nun als Konzilsvätern wiederbegegnete. Seit der Zeit der Konzilsvorbereitung war er Sekretär, also in etwa Geschäfts- und Schriftführer, der bedeutsamsten Vorbereitungskommission des Konzils, der sogenannten Theologischen Kommission, die für alle grundlegenden Fragen "de fide et moribus" zuständig war. Zu Konzilsbeginn wurde diese Funktion in diejenige des Sekretärs der entsprechenden Konzilskommission überführt. In diesen wichtigen Ämtern führte Tromp nicht nur pflichtgemäß das offizielle Protokoll, sondern eben auch ein zusätzliches Tagebuch, das in fünf Bänden erhalten ist. Alexandra von Teuffenbach, die der interessierten theologischen Öffentlichkeit nicht zuletzt durch ihre römische Dissertation zu Entstehung und Bedeutung der in ihrer Interpretation reichlich umstrittenen ekklesiologischen Formulierung aus Lumen gentium Nr. 8 (,‚subsistit in") bekannt ist, hat sich nun gleichsam an ein Lebenswerk gemacht: Vor einigen Jahren könnte sie in zwei Teilbänden den ersten, die Konzilsvorbereitung spiegelnden Band dieser Tagebücher Tromps in Edition und Übersetzung vorlegen (Sebastian Tromp Sj., Konzilstagebuch mit Erläuterungen und Akten aus der Arbeit der Theologischen Kommission, II. Vatikanisches Konzil, herausgegeben von Alexandra von Teuffenbach, Band 1/1-2 (1960-62), Rom: Editrice Pontificia Universitä Gregoriana 2006). Nun hat sie ihr Werk mit dem zweiten Band fortgesetzt, der 2011 unter demselben Titel, in fast identischer Aufmachung, jedoch bei einem anderen Verlag erschienen ist; Tagebuch und Dokumente umspannen in etwa die Zeit der ersten Konzilsperiode einschließlich der darauf folgenden ersten Intersessio (Okt. 1962 bis Sept. 1963). Die Übersetzungen ins Deutsche, die auch dieser wieder in zwei Teilbände gegliederte Band enthält, stammen erneut von Bruno Wegener, der allerdings für die Fortsetzung dieses Unternehmens nicht mehr zur Verfügung steht, da er vor kurzem verstorben ist. In deutscher Sprache liegen wiederum - die eigentlichen Tagebucheintragungen selbst vor, die jeweils auf der linken Seite dem lateinischen Original auf der rechten gegenüberstehen. Das war schon im Falle des ersten Bandes etwas verwunderlich, weil das hier benutzte, sehr wenig literarische Latein auch einem nur oberflächlich in dieser Sprache orientierten Leser leicht verständlich sein dürfte. Man wird sich kaum einen gänzlich des Lateinischen unkundigen Leser vorstellen können, der sich dennoch der Lektüre eines viele hundert Seiten umfassenden römischen Konzilstagebuchs aussetzt.. Aber dies sei dahingestellt. Auffälliger ist hingegen, dass dieser zweite Band (besonders dessen zweiter Teilband von allein über 700 Seiten Umfang) nun über die Tagebücher hinaus zahlreiche Dokumente enthält, die geeignet sind, das darin berichtete und beleuchtete Geschehen zu illustrieren und oft allererst im rechten Licht erscheinen zu lassen: es handelt sich dabei namentlich um die sogenannten Relationen, also einführenden Berichte und Vorträge, sowie die offiziellen Protokolle des Sekretärs Tromp zu den Sitzungen der theologischen Kommission und deren Unterkommissionen (in Auswahl). Dem schließt sich noch eine ganze Reihe von Dokumenten und Briefen an, die großenteils aus der Feder beteiligter Konzilsväter oder beratender Theologen stammen und auf die Gegenstände der Verhandlung oder den Entwurf von Texten dieser Kommission(en) bezogen sind. Vor allem hier wird der Leser reich beschenkt. Zwar waren manche dieser Texte auch bisher grundsätzlich schon bekannt und zugänglich, allerdings oft nur schwer erreichbar. Zudem ist die oftmals schwierige Zuordnung zum tatsächlichen Verlauf der Debatten hier bereits weithin geleistet. Zu danken haben wir hier nun - obwohl diese Texte teilweise deutlich komplexer sind als die oft nur knappen Notizen des Tagebuchs und zudem in diversen Sprachen (Lateinisch, Italienisch, Französisch, Englisch, selten auch Deutsch) abgefasst - allerdings allein der Herausgeberin; übersetzt sind sie nämlich nicht. Aber dies werden Erforscher des Zweiten Vatikanischen Konzils wohl verschmerzen können, kommen sie doch ohne Kenntnisse in all diesen (und mehr) Sprachen ohnehin nicht aus....

Aus anderen Veröffentlichungen der Herausgeberin weiß man, dass sie nicht zuletzt an einer alternativen Geschichtsschreibung zum Zweiten Vatikanischen Konzil interessiert ist. Das sei unbenommen. Die in den bisherigen voluminösen Tagebuchbänden versammelten Materialien bieten ein oft bis hin zum Farblosen reichendes, überwiegend äußerst zuverlässiges und - trotz aller Eindeutigkeit der eigenen Position des Berichterstatters - wenig subjektives oder gar tendenziöses Bild des Geschehens; dies wird gewiss zur weiteren Entzerrung der Debatte um die Deutung dieses Konzils beitragen können; die präsumptiven Hoffnungen der Herausgeberin werden sich damit aber wohl nicht erfüllen. So ist die - im langsamen, aber insgesamt erfreulichen Gang befindliche - Edition der Tagebücher Sebastian Tromps eher ein willkommener Beitrag zu weiterer "Reform" der Konzilsgeschichtsschreibung, keinesfalls aber ein Anlass zum "Bruch" mit ihren bisherigen reichen Ergebnissen.

Leonhard Hell, Mainz


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