Bei der ersten Studie handelt es sich um eine von Klaus Fischer, Universität Trier, und Ram Adhar Mall, Maximilias-Universität München, betreute Dissertation. Über die genuin philosophischen Analysen hinaus ist es dem Autor hervorragend gelungen, sich in religionswissenschaftliche, theologiegeschichtliche und kulturhistorische Fragestellungen einzuarbeiten. Wer das Werk Gustav Menschings verstehen will, kommt nicht daran vorbei, interdisziplinär zu forschen, wozu der Verfasser aufgrund zahlreicher Vorstudien besonders befähigt ist. Yousefi stellt sich die Aufgabe, den Toleranzbegriff Gustav Menschings kritisch weiterzuführen und will aufzeigen, daß eine interkulturell-philosophische Sichtweise hierzu besonders geeignet ist. Den Grundstein zu seiner Toleranzidee legt Mensching bereits als 19jähriger, indem er der Menschheit ein einigendes Postulat des Weltgewissens zuspricht.
Die Untersuchung wird von fünf Perspektiven geleitet: einer philosophischen, die hier von besonderer Wichtigkeit ist, einer religionswissenschaftlichen, einer religiösen, einer kulturellen sowie einer politischen. Für Yousefis Ausarbeitung ist von Bedeutung, daß Mensching ursprünglich aus der evangelischen Theologie kommt und Pfarrer werden wollte. Die dogmatische Enge der Marburger Theologie führte jedoch dazu, daß er seinen ursprünglichen Plan aufgab. Insbesondere setzt sich Mensching von der Theologie Karl Barths ab, der zwischen der christlichen Offenbarung - die hier positiv besetzt ist - und den Religionen - die für den Theologen eine negative Konnotation haben - unterscheidet.
Der Rezensent hat zu Beginn seiner Studienzeit in Bonn im Rahmen des studiums universale Menschings letzte Vorlesungen vor dessen Tod im Jahre 1978 gehört. Er erinnert sich daran, daß Mensching erwähnte, obwohl seit der Veröffentlichung seiner Schrift Der Katholizismus - Sein Stirb und Werde. Von katholischen Theologen und Laien aus dem Jahre 1937 alle seine Werke auf dem römischen ‚Index librorum prohibitorum' aufgeführt worden seien, eine zweistellige Zahl von katholischen Priestern bei ihm in Religionswissenschaften promoviert hätten, jedoch kein einziger protestantischer Theologe. Mensching führte dies auf seine Gegnerschaft zu den Barthianern zurück, die an der Evangelisch-Theologischen Fakultät Bonn eine starke Stellung hatten.
Mensching sieht das Fehlen einer Menschheitsidee im Zusammenhang mit dem Verlust des Gefühls der Erfurcht, welches er als ein seelisch-metaphysisches Erlebnis bezeichnet. Mensching lehnt eine lediglich auf der Philologie basierende Vergleichende Religionswissenschaft ebenso ab, wie die Isolierung von religionshistorischen Fakten. Wer nicht zugestehe, daß jede Religion primär irrationale Elemente beinhalte, werde ihr als Lebensmitte eines Individuums nicht gerecht. Gerade diese Überlegungen führten dazu, daß Mensching nie die Wahrheit in der Religion zum Gegenstand seiner Forschung machen konnte. Aus diesem Grunde wird er, wie auch sein Lehrer Rudolf Otto, zum Gegner des Liberalismus, der den Gottesbegriff und die Religion, sofern diese überhaupt thematisiert werden, allein rational faßt.
Mensching ist ein ausgewiesener Kenner der deutschen Philosophie: angefangen bei der Aufklärung unter Kant bis zur Weltphilosophie Karl Jaspers. Die Philosophie seiner Zeit bezeichnet er jedoch als blutleer und wenig brauchbar für die religionswissenschaftliche Forschung. Er erweist sich auch als ein ausgesprochener Gegner der Philosophie Hegels, dessen geradlinige Entwicklung des Weltgeistes er nicht nachvollziehen kann. Beeindruckt ist Mensching hingegen von den wenigen Philosophen, die orientalische und fernöstliche Religionen untereinander und mit der westlichen Kultur in Verbindung bringen. Ein Beispiel wäre hier der Kölner Philosoph Max Scheler. Eine gewisse Nähe läßt sich in Menschings Werken zur Phänomenologie Edmund Husserls ausmachen. So wird für Mensching die Frage nach dem Heiligen in der Religion phänomenologisch durch die Bewußtseinsleistung des Menschen produziert, ohne dieser eine Apriorität zuzuschreiben. Mensching ist insofern seiner Zeit voraus, wenn er bemängelt, daß die Wortführer der monotheistischen Religionen sich der Philosophie und der Weisheit des Ostens im Sinne der Anerkennung nicht im Geringsten öffneten.
Als herausragende Epoche der Toleranz im Sinne Menschings stellt Yousefi die italienische Renaissance heraus. So hält Francesco Petrarca die christliche Religion für die beste, doch kennt er auch Teilwahrheiten in der Antike an. Der italienische Neuplatoniker Marsilio Ficino vertritt eine religio communis, die allen historischen Religionen gemeinsam sei. Der Humanist stellt das moralische Handeln in den Mittelpunkt seiner Erkenntnislehre, in der er neben christlichem Gedankengut auch Elemente des Neuplatonismus und kabbalistische Inhalte integriert.
Für Mensching ist insbesondere die Toleranzidee der Aufklärung von besonderer Bedeutung. Die hier vertretene Vorstellung der religio naturalis geht davon aus, daß in den historischen Erscheinungsformen der Religionen allgemeine Wahrheiten über Gott, Unsterblichkeit, Tugend und Frömmigkeit vorhanden sein müßten. Im Gegensatz zu vielen Aufklärern lehnt Mensching jedoch eine reine Vernunftreligion ab, in der die religiöse Erfahrung nicht zum Tragen kommt. Wie Kant hält Mensching, wenn auch von anderen Prämissen ausgehend, die Versuche, religiöse Inhalte zu beweisen, für unmöglich.
Angewandte Toleranz ist für Mensching zugleich hermeneutisch und pragmatisch. Sie schließt keinesfalls die persönliche Bindung an eine Religion aus. Der heute vielbeschworene interreligiöse Dialog läuft für Yousefi ohne Verinnerlichung dieser Vorstellung von Toleranz ins Leere. Mensching fordert die Abwendung von der "Gehäusetoleranz", die im Sinne Karl Jaspers nicht mehr als eine Höflichkeitsfloskel darstellt, zur angewandten Toleranz und vom "Gehäusedialog" zum umfassenden Dialog.
Für Mensching verursacht nicht die Absolutheit der Wahrheit Konflikte, sondern der menschliche Anspruch auf sie. Als Beispiel hierfür führt der Verfasser den Islamismus oder den westlichen Imperialismus an. Yousefi sieht die Gefahr und zeigt auf, warum latente Funktionen der Religionen mißbraucht werden. Keine Religion, auch nicht der substantiell eher tolerante Hinduismus, sei davon befreit. Mensching unterscheidet zwischen formaler und inhaltlicher Toleranz. Beide Formen der Toleranz geben die eigene religiöse Überzeugung nicht auf, wobei lediglich die zweite Position eine religionspluralistische Haltung einnimmt. Mit dieser Form der Toleranzhermeneutik begründet Mensching seine These der geistigen Einheit der Religionen. Diese Vorstellung der Einheit in der Vielfalt der Religionen basiert auf der Vorstellung seines Lehrers Rudolf Otto, der eine Idee von einem "religiösen Menschheitsbund" annimmt. Mensching zielt hierbei nicht auf eine abstrakte Einheit aller Religionen ab. Ihm geht es vielmehr darum, das Leben der Religionen unter vielfältigen Formen als eine einheitliche Größe zutage zu bringen.
Yousefi führt in diesem Zusammenhang den Toleranzbegriff des katholischen Historikers Heinrich Lutz an, dem zu Folge Menschings Toleranzkonzeption die Religionsfreiheit und den religiösen Pluralismus innerhalb der staatlich-politischen Gemeinschaft ermöglicht. Einfluß nimmt Mensching auf die von dem katholischen Theologen Paul Knitter konzipierte "Globale Theologie", der zufolge man eine Zeitlang zu anderen Glaubensgemeinschaften überwechseln sollte. Ein solches "Konvertierspiel" lehnt Mensching jedoch entschieden ab und fordert eine theoretische Besinnung auf das Verhältnis zwischen eigenen und fremden Glaubensanschauungen. Ebenso weist er Karl Rahners Konstrukt vom "anonymen Christen" als eine Vereinnahmung von Anhängern nichtchristlicher Religionen zurück.
Mensching setzt sich deutlich von dem Religionspositivismus eines August Comtes ab, aber auch von der Soziologenschule eines Emile Durckheims, für die die Religion lediglich gesellschaftspolitische Relevanz besitzt. Für Mensching ist die Religion stets eine Begegnung mit "heiligen Mächten" und daher für die Lebensmitte des gläubigen Menschen konstitutiv. Yousefi vertritt die Meinung, daß Mensching den starren Dogmatismus in den Religionen ebenso ablehnt wie deren Instrumentalisierung durch die Politik.
In der von Yousefi geforderten interkulturellen und interreligiösen Orientierung ist der Begriff des Heiligen, wie ihn Mensching darstellt, das verbindende Glied. Eine herausragende Bedeutung kommt dabei auch dem Verstehen der Symbole der einzelnen Religionen zu. Der Mensch wird vom Heiligen in seinen Handlungsweisen maßgeblich bestimmt. Hier setzt sich Mensching bewußt von Schleiermacher ab, für den Religion nur eine Anschauung des Universums oder ein bloßes Erlebnis ist. Hingegen weist der Autor bei Mensching Bezüge zur Ockham-Rezeption des 18. Jahrhunderts nach. Hier ist die Philosophie nicht mehr die Magd der Theologie, vielmehr wird die Philosophie epistemologisch von der Theologie getrennt.
Mensching unterscheidet zwischen einem intensiven und einem extensiven Absolutheitsanspruch. Den ersten läßt er gelten, da er aus der jeweils eigenen Glaubenserfahrung stammt und ihm somit ein Einmaligkeitscharakter zukommt. Das "Nach-Außen-Treten" des Absolutheitsanspruchs lehnt er jedoch ab, weil damit die Religion für ihn von einer Lebensform zu einer Denkform transformiert wird. Hierbei verschiebt sich der Wahrheitsbegriff von der als Wahrheit erfahren Wirklichkeit zu einer als logisch betrachteten erkenntnismäßigen Richtigkeit.
Mensching warnt davor, die religiöse Toleranz in Beliebigkeit aufgehen zu lassen. Toleranz darf nicht zur Loslösung von Tradition und religiösen Werten führen. Wie Karl Jaspers würde Mensching eine postmoderne Beliebigkeit, die zur Gleichgültigkeit führen könnte, ablehnen. Wer die Unterschiede zwischen den einzelnen Religionen einebnen möchte, kann sich, so Yousefi, jedenfalls nicht auf Mensching berufen.
Kritisch sieht der Autor Menschings Betrachtungsweise des Islams. Der Islam, so Mensching, sei von Anfang an eine militante Religion gewesen und habe außer seinem Fanatismus wenig Originelles hervorgebracht. Diese Aussagen über den Islam seien, so Yousefi, von einer Verachtung und Härte geprägt, die gerade wegen Menschings Plädoyer für inhaltliche Toleranz unverständlich blieben. Ebenso sei es ein Vorurteil, wenn Mensching den Hinduismus und den Buddhismus als pessimistische Religionen deklariere.
Die Resultate der interreligiösen Dialoge seiner Zeit hält Mensching für unzureichend. Die Ergebnisse seien selten ein reziprok-vergleichendes Verstehen. Hierbei gehe es in der Regel lediglich um die Rechtfertigung der eigenen Position und die Darstellung deren Überlegenheit.
Abschließend schlägt Yousefi vor, die praktisch-interkulturelle Toleranz Menschings mit der Diskurstheorie Habermas' zu einer neuen Systemtheorie zu verschmelzen. Die Kompatibilität zwischen kommunikativem Handeln und der phänomenologischen Toleranzhermeneutik Menschings erkläre sich durch die Forderung nach praktischer Orientierung.
Der Autor ist sich darüber im Klaren, daß die Realisation einer interkulturellen Religionswissenschaft, die einen echten Dialog bewirken und eine Kultur des Friedens schaffen könne, noch einen langen und bisweilen schwer gangbaren Weg vor sich habe. Er appelliert daher an alle Verantwortlichen, die kulturellen und religiösen Konflikte aufzuarbeiten. Mit Gustav Mensching schlägt er hierzu vor, daß in allen Institutionen auf einen exklusivistischen Absolutheitsanspruch verzichtet werden müßte.
Selbst wenn man eine Reihe von Menschings Positionen nicht teilt, so ist dieser scharfsinnigen Analyse Yousefis gerade im Hinblick auf die viel beschworene "Rückkehr der Religionen" eine große Verbreitung über den Kreis der Fachphilosophen, Religionswissenschaftler und Theologen hinaus zu wünschen. Der interkulturelle Ansatz des Autors durchdringt seine Studie wie ein Leitmotiv, das ganz anders klingt als Huntingtons "Kampf der Kulturen". Der Verfasser macht deutlich, daß es ohne einen aufrechten Dialog der Religionen keinen gesellschaftspolitischen Fortschritt mehr geben wird.
Zwei Jahre nachdem Yousefis Dissertation veröffentlicht wurde, legte der Autor mit den "Grundlagen der interkulturellen Religionswissenschaft" eine Studie vor, in der er die Thesen seiner Dissertation teilweise weiterführt, und außerdem neue, für die Religionsphilosophie wichtige Erkenntnisse, zur Diskussion stellt.
Eine vergleichende Religionswissenschaft, wie Yousefi sie fordert, vernachlässigt weder die Kategorie des Heiligen, noch die philologische Basis. Viele Leser werden überrascht sein, daß die Religionswissenschaft im europäischen Raum eine relativ junge Wissenschaft ist. Als ersten Religionswissenschaftler sieht der Autor den persischen Philosophen Abu Hamed Mohammed Ghazali (1058-1111) an. Dieser thematisiert bereits die äußerlichen Formen der Religionsausübung, die mystischen Aspekte der Religion bei der Vereinigung mit Gott, die Verwerfung der Welt sowie Armut und Askese als religiöse Aspekte. Ebenso wird der persische Mathematiker und Philosoph Abu Reyhan Mohammad ibn Ahmad Biruni (973-1048) angeführt. Als Universalgelehrter war er auch mit den Grundlagen der indischen und griechischen Philosophie vertraut. Er vertrat die Auffassung, daß nur Mathematik und Geometrie Erkenntnisse über die Natur und die Welt vermitteln könnten.
Für die europäische Religionswissenschaft war der Ansatz von Edmund Hardy grundlegend. Dieser trat an der Universität Leipzig für die Forschungsmethode des Religionsvergleichs ein. Als junge Wissenschaft wurde sie in Deutschland zuerst an den theologischen Fakultäten institutionalisiert, bevor sie dann an philosophischen Fakultäten und heute an kultur-wissenschaftlichen Fachbereichen angesiedelt wird.
Yousefi spricht sich zu Recht gegen die traditionellen eng gefaßten Kulturbegriffe aus. Eine interkulturelle Religionswissenschaft müsse bei einem Kulturbegriff ansetzen, in dem sowohl das jeweils fremde in der eigenen Kultur, als auch die Überlappungen zwischen den unterschiedlichen Kulturen akzeptiert werden. Kulturen sind somit keine Monaden, wie dies noch von Johann Gottfried Herder gesehen wurde. Im Gesamtzusammenhang ist es nur konsequent, wenn der Autor für seinen Entwurf einen transkulturellen Ansatz ausschließt, denn dieser geht von einer Unifizierung der Kulturen aus. Die vom Verfasser begründete Interkulturelle Religionswissenschaft hält es für selbstverständlich, daß auch die Angehörigen anderer Völker Vernunft und Rationalität besitzen. Mit Mircea Eliade (1907-1986) stellt der Verfasser die Frage, warum so viele außereuropäische Kulturen im europäischen Raum in ihrer Vollständigkeit unbekannt geblieben sind. Wie Eliade kritisiert er, daß sehr viele europäische Religionswissenschaftler sich fast ausschließlich mit der Philologie befaßt haben.
Interkulturelle Religionswissenschaft soll sich, so fordert Yousefi, mit der Wesensfrage und nicht mit der Wahrheitsfrage innerhalb der Religionen befassen. Andererseits dürfe die Interkulturelle Religionswissenschaft auch keinen Kultur- und Religionsrelativismus anstreben. Nur Toleranzkompetenz und Toleranzkultur führten zu einem umfassenden Religionsdialog.
Yousefi stellt vier religionswissenschaftliche Ansätze vor, die für seine weiteren Überlegungen von besonderer Bedeutung sind. Es sind die praktische Religionswissenschaft Udo Tworuschkas, eines Schülers von Gustav Mensching, Universität Jena; die Engagierte Religionswissenschaft Wolfgang Gantkes, Universität Frankfurt; die Angewandte Religionswissenschaft Jürgen Friedlis, Universität Fribourg; und die bereits erwähnte Angewandte Religionswissenschaft Ghazalis.
Für Yousefis eigenen Systementwurf sind insbesondere Gantkes und Friedlis Ansätze von Bedeutung. Für Gantke gibt es in der Religionswissenschaft keinen Weg, sich auf einen wertneutralen archimedischen Punkt über den Kulturen zu erheben. Der Frankfurter Religionswissenschaftler entwickelt einen interkulturell-dialogischen Ansatz, der die Anthropozentik überschreitet und somit eine gewisse Transzendenzoffenheit gewährleistet, ohne zu ein für allemal gültigen Antworten zu kommen. In diesen Zusammenhang spricht er von der "Geschichtlichkeit des Heiligen" und zeigt damit seine Nähe zu Gustav Mensching. Gantke regt an, im aktuellen interkulturellen Kontext die religiösen Wurzeln der Moderne näher hin zu untersuchen.
Friedlis interkulturelle Erkenntnisse sind geprägt von der Auswirkung des II. Vatikanums auf den interreligiösen Dialog, dem schwarzen Islam und dem Schamanismus in den Bantu Religionstraditionen. Aufenthalte in Indien und Thailand führten für ihn außerdem zu einer tiefen Auseinandersetzung mit dem Buddhismus.
Methodisch steht Friedli heute Feldforschungen in den Religionswissenschaften äußerst skeptisch gegenüber, da diese viel zu schnell durchgeführt würden. Ebenso lehnt er religionswissenschaftliche Ansätze ab, die alleine psychologische oder soziologische Erklärungsmodelle benutzen. Dennoch müsse Angewandte Religionswissenschaft immer interdisziplinär arbeiten. Sie kombiniert Elemente aus der Religionsgeschichte mit Elementen aus der Sozial-Anthropologie und Inhalten eines kollektiven Gedächtnisses der jeweiligen Kultur.
Bereits Mircea Eliade hielt einen Dialog zwischen der Religionswissenschaft und anderen wissenschaftlichen Disziplinen für unerläßlich. Bei Yousefi kommen hier insbesondere die Religionsphilosophie und sozialwissenschaftliche Disziplinen in Frage. Der Verfasser führt sehr deutlich aus, daß den Weltreligionen, abgesehen von der Verwandtschaft zwischen dem religiösen Erleben, eine breite gemeinsame Sicht ethischer Werterkenntnis zu eigen ist. Bereits die philosophische Anthropologie Max Schelers und die Kulturphilosophie Erich Rothackers hätten dies gezeigt. Mit dem Sozialpsychologen Joachim Wach teilt Yousefi die Auffassung, daß Religionen den Menschen "eine Brücke zum Himmel bauen", aber ebenso ein sinnvolles weltliches Leben durch Gruppenprozesse ermöglichen. Der Religionspsychologie kommt nach Yousefi insofern eine wichtige Aufgabe zu, da sie sich das lebendige Bewußtsein und daher auch das Irrationale zum Forschungsobjekt macht.
Zu Recht unterscheidet der Verfasser zwischen einem positiven und einem negativen Fundamentalismus in den Religionen. Der positive Fundamentalismus versucht, die Wurzeln und den Ursprung der Religionen sowie deren Glaubenssätze zu verstehen. Der negative Fundamentalismus besitzt hingegen eine naiv-dualistische Weltanschauung und artet häufig in eine Ideologie aus. Für die Entstehung totalitärer Staatsformen macht Yousefi die moderne Industriegesellschaft und die damit einhergehende Säkularisation verantwortlich, die nicht nur eine Vereinzelung des Menschen zu Folge gehabt habe, sondern in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts für radikale Formen von Nationalismus und Sozialismus verantwortlich sei.
Der konfessionelle Religionsunterricht wird vom Verfasser abgelehnt, da dieser einseitige Lehrmeinungen vermittle und in einer Welt des interkulturellen Pluralismus kaum weiterführe. Persönlich befürworte ich hier jedoch die Position von Karl Kardinal Lehmann, der sich kürzlich für ein Nebeneinander von konfessionellem Religionsunterricht und nichtkonfessionellem Ethikunterricht ausgesprochen hat. Diese Regelung werde einem religiös-weltanschaulichem Pluralismus besser gerecht als ein allgemeiner Religions- oder Werteunterricht.
Wie Yousefi bereits in seiner Dissertation herausgestellt hatte, hält er es für unerläßlich, daß die Interkulturelle Religionswissenschaft sich mit der Friedens- und Konfliktforschung auseinandersetzt. Nur hierdurch könnten militärische und rüstungswirtschaftliche Interessen durchbrochen werden.
In dem von Yousefi herausgegebenen beachtlichen Sammelwerk "Die Idee der Toleranz in der interkulturellen Philosophie. Eine Einführung in die Angewandte Religionswissenschaft" (2003), und hier insbesondere in seinem eigenen Beitrag "Angewandte Religionswissenschaft und die Idee der Toleranz. Versuch einer neuen Orientierung", hatte er sich bereits um eine Neustrukturierung der traditionellen Religionswissenschaft bemüht. Hierbei stellte er erstmals den deutlichen Bezug zwischen der interkultureller Religionswissenschaft und der interkulturellen Philosophie heraus. Er setzt diese Überlegungen in einem gerade erschienenen facettenreichen Sammelband "Wege zur Religionswissenschaft" (2007) fort. Ihm geht es um die Darstellung eines möglichen Weges, zivilisationstheoretische bzw. anwendungsorientierte Dimensionen der Religionswissenschaft im 21. Jahrhundert neu zu vermessen und zu bestimmen. Yousefi erörtert hier ausführlich die praktischen Aspekte der Religionswissenschaft, die er für deren Legitimation für unerläßlich hält. Dabei gilt es, die sozialen, interkulturellen und interreligiösen Funktionen dieser Wissenschaft herauszustellen. Yousefi zählt die angewandte Toleranz, die analogische Hermeneutik und schließlich den Dialog der Kulturen und Religionen zu den wichtigsten Themenfeldern der Interkulturellen Religionswissenschaft. Mit diesem vielversprechenden innovativen und praxisorientierten Denkansatz verfolgt der Autor das Ziel, einen verstehens- und faktenorientierten Dialog zwischen den Religionen auf gleicher Augenhöhe zu realisieren.
Hermann-Josef Scheidgen
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