Der Untertitel wäre besser der Obertitel: es geht vor allem um Toleranz und auch, aber weniger um Kommunikation. Der "Ernstfall" in jeder - aber besonders in interkultureller - Kommunikation, ist dann eingetreten, wenn zwei Absolutheitsansprüche - religiöse oder philosophische - einander gegenüber stehen. Der "ideale" Dialog scheitert an dieser Stelle angesichts von Macht-Ansprüchen. Diese Ansprüche wiederum können verschiedenste Quellen haben, In jedem Fall geht es um "Empfindlichkeiten" (W. Gantke) - also um Anliegen, die den Betreffenden berechtigt erscheinen, aber im Diskurs untergehen. Die "Konstituierung einer neuen öffentlichen Ordnung", in der sich alle Parteien gut aufgehoben fühlen (D. Senghaas), hängt an der Fähigkeit, die Eskalationsdynamik ethnopolitischer Konflikte durch differenzierte Wahrnehmung der Situation von außen als Korrektiv zu durchbrechen. Toleranz der zweiten Ordnung als kreative Instanz (0. Höffe) ist von allen Teilnehmern des Konflikts gefordert, um verschiedene Kontexte und Ansprüche miteinander zu vermitteln. Eine multikulturelle Gesellschaft ist genau nicht eine Kultur offener Solidarität, in der sich Pluralität entfalten kann (R. Fornet-Betancourt). "Toleranz" erscheint am Ende als ein schwacher Begriff, der jedoch neurobiologisch, religionswissenschaftlich und kommunikationstheoretisch gestützt und erweitert werden kann.
Ursula Baatz
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