Hamid Reza Yousefi / Klaus Fischer / Ina Braun (Hrsg.)

Wege zur Philosophie

Grundlagen der Interkulturalität

Rezension


Interkulturelle Philosophie, so betonen die Herausgeber dieses Sammelbands in der Einleitung, "sollte nicht als eine neue Disziplin neben der traditionellen Philosophie verstanden werden, sondern vielmehr als ihr Korrektiv" (S. 10). Diesem Grund satz folgen die fünfzehn Beiträge, die ein breites methodisches und inhaltliches Spektrum abdecken. Einige Texte stammen aus früheren Veröffentlichungen bekannter Autoren (Helmuth Plessner, Karl Jaspers), weitere Aufsätze stellen die überarbeitete Fassung bereits publizierter Beiträge zur interkulturellen Philosophie dar (Elmar Holenstein, Heinz Kimmerle).

Die im Titel angesprochenen "Grundlagen der Interkulturalität" bestehen im Wesentlichen in der Überzeugung, dass in der kulturell vermittelten Vielfalt des Philosophierens etwas Gemeinsames, allen Menschen Zukommendes zum Ausdruck kommt. Hamid Reza Yousefi formuliert: "Die regulative Einheit der einen philosophia perennis ist kompatibel mit der Vielheit ihrer konkreten kulturellen Gestalten" (S. 48). Ebenso greift Ram Adhar Mall den Gedanken regulativer Universalität auf: "Die Idee von der absoluten Wahrheit einer philosophia und religio perennis ist niemandes Besitz allein, und sie steht eher für eine Limesgestalt" (S. 159). Raúl Fornet-Betancourt kommt unter Einbeziehung des gesellschaftlich-politischen Aspekts philosophischen Denkens - den er als "diskursive Kraft der Weltveränderung" (S. 225) begreift - zu einer ähnlichen Einschätzung und kommentiert den Titel des Buches auf folgende Weise: "Wege zur Philosophie sind keine einsamen, hermetischen und solipsistischen Denkwege noch sind sie Ergebnisse irgendeines "absoluten Anfangs". Es sind geschichtliche Wege; Wege, die von Traditionen und Lebenswelten her kommen und auf sie - verändert! - zurückkommen [...]. "Wege zur Philosophie" sind [...] Wege für die bessere Gestaltung von Welt und so auch für die gegenseitige Verständigung zwischen den Völkern der Menschheit" (ebd.).

Philosophie, darauf macht Fornet-Betancourt wohl mit Recht aufmerksam, entspringt nicht nur "der (theoretischen) Verwunderung" - wie dies eine maßgebliche europäische Tradition sieht -‚ sondern auch der "Verwundung" (S. 227), also der "Betroffenheit der Menschen durch soziale, politische und kulturelle Verhältnisse bzw. Bedingungen, unter denen sie an Unrechtssituationen wie Rassismus, Sexismus oder Repression leiden und so in besonderer Weise die Zerbrechlichkeit menschlichen Lebens erfahren"

(ebd.). Aufschlussreich ist schließlich der Beitrag von Jens Mattem, der eine Begründung für die Notwendigkeit interkulturellen Philosophierens von unerwarteter Seite her liefert, nämlich von der Auffassung Platons einer "absoluten Wahrheit" her, der sich der Mensch "zugleich unterworfen und von ihr unaufhebbar getrennt weiß", wodurch sich ein "Zwischen von gegebener Kultur und entzogener, aber doch vorgegebener Wahrheit" (S. 281) eröffnet. Anders gesagt: "Vollzieht sich menschliche Existenz zwischen der Kultur, in die sie geworfen ist, und einer für sie unerreichbaren Wahrheit, dann öffnet dieses Zwischen zugleich das Zwischen einer wirklichen interkulturellen Begegnung" (S. 283).

Vorliegender Band eröffnet einen Einblick in repräsentative Fragestellungen interkulturellen Philosophierens, liefert aber weniger "Grundlagen der lnterkulturalität? als vielmehr einen Problemaufriss, der dazu einlädt, weitere ?Wege zur Philosophie" zu suchen.

Franz Gmainer-Pranzl


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