Gott jenseits der Grenze
Deutsch-indische Aufsätze von Martin Kämpchen
Seit mehr als dreißig Jahren lebt und arbeitet Martin Kämpchen in Indien, näherhin in Westbengalen, zuerst in der Nähe von Kalkutta, seit langer Zeit etwa 150 Kilometer nördlich dieser Metropole in Santiniketan, im Campus der Universität, die der berühmte Dichter Rabindranath Tagore gegründet hat. Kämpchen ist ein ausgezeichneter Kenner nicht nur der indischen Geisteswelt, sondern vor allem der Kultur Bengalens, also jener Region im Osten Indiens, wo etwa siebzig Millionen Menschen bengalisch sprechen (wie in Bangladesh, dem selbständigen Ostbengalen). Seine literarischen Arbeiten, unter anderem Übersetzungen aus dem Bengalischen, haben Kämpchen in Indien und in Deutschland weithin bekannt gemacht. [...]
Beim interkulturellen Brückenschlag zu der uns nach wie vor fremden Welt Indiens ist nach Kämpchens Meinung der religiöse Dialog das allerwichtigste. Indien ist bis zur Stunde ein religiös tief geprägtes Land, von dem der Westen - das Christentum - Wesentliches lernen kann. Die vielen Aufsätze, die Kämpchen in mehr als dreißig Jahren darüber geschrieben hat (auch in unserer Zeitschrift), liegen nun in einem umfangreichen Sammelband vor. Erstaunlich: Nirgendwo hat sich da der Staub der Zeit angesetzt. Man liest die Beiträge mit steigendem Interesse, mit wachsender Überzeugung von der unbedingten Notwendigkeit dieses Dialogs in einer sich globalisierenden Welt.
Es geht nicht zuerst um Wissenschaft, um Theologie und Indologie, sondern um das Existential des Menschen in der religiösen Krise der Moderne. Keineswegs kann die Lösung unserer Probleme ein Zurück zu archaisierenden Formen bedeuten, wie sie in Indien noch weithin üblich sind. Wohl aber ist eine innere, glaubwürdige Verbindung westlich-aufgeklärter Haltung mit urreligiösen Verhaltensweisen, die in der Tiefe der Seele schlummern, notwendig. Der Schlußaufsatz des Bandes "Die Zukunft der Religionen - Lebenserfahrungen in Indien und in Europa" faßt diese Erkenntnisse in einer sehr eindrücklichen Weise zusammen. Keineswegs geht es um eine sinnlose Vermischung gemäß einer falschen pluralistischen Religionstheorie, keineswegs wird die christliche Kritik an gewissen Defiziten des Hinduismus ausgespart - auf der anderen Seite aber sind ebenso die Schwachstellen eines Christentums zu sehen, das innerlich ausgedörrt erscheint.
Dieser Band enthält sechs große Kapitel, von "Indien mit der Seele suchen" über konstruktive Informationen über Hinduismus und Christentum in Indien bis zu biographischen und autobiographischen Skizzen. Die soziale Not kommt ebenso zur Sprache wie eine sinnvolle Entwicklungshilfe, in der Kämpchen selbst neben einen schriftstellerischen Arbeiten praktisch-pragmatisch tätig ist. Also ein wichtiges, lesenswertes Buch - mit einem Wermutstropfen: Es ist zu teuer. Der überzogene Preis sollte nicht verhindern, daß breitere Kreise zu ihm finden.
pl.
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