›Wer ist weise? der gute Lehr von jedem annimmt‹

Festschrift für Michael Albrecht zum 65. Geburtstag


herausgegeben von Heinrich P. Delfosse und Hamid Reza Yousefi

Abstract / Rezension


Der Titel des vorliegenden Bandes ,Wer ist weise? Der gute Lehr von jedem annimmt.' stammt aus der Mischna. Moses Mendelssohn war es, der diese Worte am 26. Oktober 1771 in ein Stammbuch schrieb (Mendelssohn-Jubiläumsausgabe Bd. 6/1, S. 191). Wie die drei anderen "Lehrsprüche der Rabbiner", die Mendelssohn notierte, verknüpft auch die für den Titel verwendete Zeile scheinbar Gegensätzliches. Weisheit - so könnte man meinen - besteht doch im eigenen, selbständigen Denken, nicht in der Abhängigkeit von den Lehren anderer. Der Lehrspruch von Ben Soma nötigt zum Überdenken dieser verbreiteten Meinung. Die Einsichten anderer für sich selber nutzbar zu machen und dadurch klüger zu werden, kann in der Tat einem Streben nach bloßer Originalität vorzuziehen sein. Die von Mendelssohn gewählten Worte, so altehrwürdig sie auch sind, spielen damit auf den Begriff des Selbstdenkens an, einen zentralen Begriff der deutschen Aufklärung. Auch ,Selbstdenken' ist keineswegs mit Originalität gleichzusetzen. Jeder, der Lehrsätze selbständig durchdenken kann, denkt selbst, ganz gleich, woher die Lehrsätze stammen mögen. Allerdings stellt sich dabei die Frage, wie man angesichts der Überfülle fremder Lehren die Übersicht behalten soll, wie man "gute Lehr" erkennen kann bzw. wie man auswählen soll.


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