Die Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinden (DELK) im Baltikum (Estland, Lettland und Litauen) entstanden aus deutschen Zuwanderern aus den Ländern des 1871 gegründeten Deutschen Reiches am Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. Zum heutigen Zeitpunkt gibt es wenige "echte" Deutsche, dafür aber viele Russlanddeutsche, die Lettland und Estland als Zwischenstopp auf dem Weg nach Deutschland benutzen. Insbesondere durch die ersten Einwanderer entstand der Bedarf nach einer eigenen DELK, die die deutsche Sprache und Tradition beibehält.
Diese Arbeit ist eine umfangreiche Studie über die DELK in Lettland und Estland vom Anfang des 20. Jh. bis hin in die Gegenwart. Im Hauptteil des Buches verspricht der Autor zwar eine baltische Kirchenrechtsgeschichte, aber diese Überschrift ist zu allgemein. Die gesamte Arbeit neigt zu einer Kirchengeschichte unter besonderer Beachtung der kirchenrechtlichen Quellen in Bezug auf die DELK in Lettland und Estland. Aus kirchenrechtlicher Sicht bewegt sich der Autor ausschließlich in dem kirchenverfassungsrechtlichen Rahmen der DELK in Lettland und Estland. Demzufolge gibt der Untertitel den Inhalt genau wieder.
Die Arbeit beschäftigt sich hauptsächlich mit der Entstehung und der Entwicklung der DELK in Lettland/Estland bis zum Zweiten Weltkrieg. Es gibt einen sehr kurzen Exkurs (Zusammenfassung) über Litauen und die Spiegelung der jetzigen Lage der Deutschen Ev.-Luth. Kirche in Lettland. Es werden Probleme, insbesondere die finanziellen Fragen und die Erhaltung und Entwicklung des deutschen Kirchenwesens in Lettland/Estland, untersucht. Der Autor prüft sowohl die rahmengebenden Rechtsquellen des lettischen und estnischen Staates, als auch die Vereinbarungen der DELK mit der Ev.-Luth. Kirche (ELK) Lettlands/Estlands im Zusammenhang mit deren Einfluss auf die DELK:
Der Autor präsentiert uns eine umfassende, ausgezeichnet recherchierte und gut strukturierte Arbeit. Das Inhaltsverzeichnis ist nachvollziehbar und entspricht dem Text. Die Arbeit ist flüssig geschrieben.
Als besonderer Pluspunkt ist zu vermerken, dass der Autor am Ende eines jeden Kapitels eine kurze Zusammenfassung zieht. Der Gesetzestextanhang und die statistischen Angaben am Ende des Buches sorgen für mehr Übersicht und zusätzliche Informationen. Auch wenn der Autor im Untertitel die kirchenrechtliche Geschichte der Jahre 1919-1931 und ab 1991 verspricht, so schildert er ebenso die Zwischenzeiten und den Zeitraum vor 1919 kurz, aber aufschlussreich. Das bringt mehr Klarheit in die jetzigen und die damaligen Verhältnisse. Das Werk ist anschaulich und interessant zu lesen. Die gesamte Arbeit hat einen harmonischen und fließenden Verlauf.
Als Minuspunkt ist anzumerken, dass es leider keine Schilderung der jetzigen Situation in Estland gibt, auch wenn es sich dort nur um eine kleine deutsche Ev.-Lutherische Gemeinde handelt, die zur Estnischen Ev.-Lutherischen Kirche gehört. Sie würde dem vorher beschriebenen geschichtlichen Verlauf einen Abschluss geben. Der Exkurs über Litauen kommt allerdings zu kurz.
Da der Autor kein Lette ist, haben sich einige vermeidbare Fehler bezüglich der Rechtschreibung der lettischen Orts- und Personennamen eingeschlichen.
Damit hat der Autor sein Thema umfangreich bearbeitet. Diese Arbeit ist für jeden, der sich intensiv mit der Geschichte der Deutschen Ev.-Lutherischen Kirche beschäftigt, nicht weniger als eine Pflichtlektüre.
Evija Beyer, Kochel am See
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