Revolution für gebildete Stände "Paris an der Alster": BONN. Im Jahre eins nach der Revolution traf man sich vor den
Toren Hamburgs zu einer rauschenden Fête. Pünktlich zum 14. Juli im Messidor
hatten der intellektuelle Landesherr Georg Heinrich Sieveking und einige
seiner Bekannten zum "Revolutionsfest" geladen - und die Massen strömten
herbei. Es war ein Tag der Freude und Ausgelassenheit; der Späße waren keine
Grenzen gesetzt. So sollen muntere "Frauenzimmer" eine Bastille aus Marzipan
zerstört haben und "auch ein Laternenpfahl en miniature", heißt es, sei
"dabey gewesen". Als Frankreichs Truppen aber über die deutschen Lande
kamen und auch die Hansestadt besetzten, da erstarb die vorher bereits
erlahmte Euphorie ganz. "Ach des goldenen Traums Wonn' ist dahin", zeterte,
allen voran, Klopstock. Seinen Ehrentitel "Citoyen Français" jedoch gab
er zu Lebzeiten nicht mehr zurück. Die Ideale der Revolution. sie waren
aus Kopf und Herz des Hamburger Aufklärers nicht mehr zu tigen. Kai Ritzmann
Copyright © 2003 by Verlag Traugott
Bautz
Eine spannende Spurensuche bei den Hamburgern
Von Gesinnungsgefährten gedrängt, rief Klopstock, der große Dichter der
Hansestadt, seine Ode an die Freiheit ins revolutionär bewegte Volk. "Frankreich
schuf sich frei. Des Jahrhunderts edelste That hub / Da sich zu dem Olympus
empor." Und die deutschen Bundesgenossen? Sie machten, resümierte nüchtern
in seiner Einführung Professor Horst Gronemeyer, "aus der Revolution ein
Alstervergnügen".
Solche Entdeckungsreisen in ein spannendes Kapitel deutscher Regionalgeschichte
vermittelt in vielen Zeugnissen die jetzt in der Landesvertretung Hamburgs
zu begutachtende und von der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg
eingerichtete Ausstellung "Paris an der Alster - Die Französische Revolution
in Hamburg". Die Weltoffenheit und geistige Freiheit der norddeutschen Metropole
bereiteten den aufrührerischen Gedanken von der Seine einen fruchtbaren
Boden. Besonders im Arbeitervorort Altona schlugen die Wellen der Pariser
Kämpfe hoch. Radikale Flugblätter deutscher Jakobiner zirkulierten: "Nation!
Volk Unsers Landes! Mitbrüder! (...)König, schaffe eiligst alle Plagen,
die wir dir neulich anderweitig kundgethan, von uns weg." Viele berauschten
sich am nahen, unendlich fernen Revolutionsgeschehen, wähnten den König
schon nach Helgoland oder sonst wohin verbannt. Schwarmgeister nahmen den
"Revolutions-Katechismus" zur Hand oder blätterten in dem Bändchen "Lieder
der Freyheit gewidmet" -: die Revolution als "Beytrag zur Unterhaltung gebildeter
Stände". Ach strahlendes Frankreich, wie warst du weit weg, möchte man mit
Klopstock trauern.