Stabi-Ausstellung über Detlev von Liliencron
Als Enkel einer Schweinehirtin mit der sich sein adeliger
Großvater eingelassen, und als Sohn eines dänischen Zollbeamten, der
eine amerikanische Generalstochter geheiratet hatte, zog der 1844 in
Kiel geborene Detlev von Liliencron ohne Adelsprivilegien ins Leben.
Das verlief recht ungewöhnlich: Liliencrons amouröse Neigungen, sein
chronischer Geldmangel aufgrund ausgedehnter Besuche in Spielcasinos
und Schlemmerlokale lassen seine Offiziers- und Beamtenkarriere, seine
ersten beiden Ehen und einen Auswanderungsversuch nach Amerika scheitern. Drei GermanistikstudentInnen an der Uni Hamburg ist
es gelungen, in einer Ausstellung in der Staats- und Universitätsbibliothek
ein überzeugendes Bild dieses enfant terrible zu zeichnen, das
Schriftsteller Schnorrer, Schlemmer und Schürzenjäger zugleich war.
In den Vitrinen mischen sich neben Dokumenten und Dichterportäts auch
Manuskripte und Messerbänkchen, Wappen und Weinkarten, Teller und Totenmasken. Die Ausstellung hätte Liliencron gefallen, meinte der
französische Literaturprofessor Jean Royer, der sich ein Forscherleben
lang mit dem Autor befaßt hat. Eine etwas überschaubarere Anordnung
und Strukturierung des Materials hätte man sich aber gewünscht. Doch
auf amüsante Weise wird uns vor Augen geführt, daß Detlev von Liliencron
in die sonst etwas arme Hamburger Literaturlandschaft gehört, und zwischen
Lenz und Lessing nicht vergessen werden darf. Kai-Uwe Scholz
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Bautz
Mit 40 und bettelarm unternimmt er den dritten Versuch, sich im gesellschaftlichen
Leben zu etablieren - diesmals als Schriftsteller. Er zieht von Schleswig-Holstein
nach Hamburg, schreibt sich binnen weniger Jahre literarischen Ruhm
und ein Ehrengehalt des Kaisers, heiratet ein drittes Mal, und stirbt
- kurz vor seinem Tod noch mit dem Ehrendoktortitel für sein schriftstellerisches
~Werk ausgezeichnet - 1909 in Rahlstedt.
Die drei AusstellmacherInnen erwecken Liliencron zum Leben, indem sie
seine Weiterwirkung dokumentieren, PolitikerInnen und ProfessorInnen
über Liliencron heute" befragen oder ihn in einem fiktiven Interview
Auskunft über Leben und Werk geben lassen - Liliencron Antworten sind
Originalzitate aus seinen Briefen, die im umfangreichen Katalog nachgelesen
werden können.
Indem die vielfältigen Verbindungen von Liliencron zu Neutönern in Musik
und Literatur aufgezeigt werden, wird deutlich, daß der Dichter zu den
größten Inspirateuren gehörte. Liliencron schrieb zarte Verse und nationalistische
Kriegslieder ebenso wie den experimentellen Roman Poggfred regte
Komponisten wie Johannes Brahms zur Vertonung seiner Gedichte an, nahm
mit Lautmalereien ("knister, knister") die Comicsprache vorweg und beeinflußte
mit seiner unkonventionellen Sprachverwendung eine ganze Lyrikergeneration.
Selbst Gottfried Benn bekannte: "Damals war Liliencron mein Gott".