Ihwan as-Safa (Die lauteren Geschwister) wirkten in der zweiten Hälfte des 10. Jh. im Kalifat der Abbasiden mit Sitz in Bagdad. Das Philosophen- und Wissenschaftlerkollegium, über dessen namentliche Zusammensetzung keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, verfaßte ein umfangreiches Werk, welches die Wissenschaften, von A, wie Anthropologie, bis Z, wie Zoologie, in 52 Abhandlungen zum Gegenstand hatte. Beginnend mit Zahlenphilosophie und Mathematik legten die lauteren Geschwister eine wissenschaftskosmologisch abgeleitete Herangehensweise zu grunde, der in seiner Inter- und Transdisziplinarität von höchster Aktualität ist. Auf Basis metatheoretischer Kosmologie, die ideengeschichtlich gnostische Konzepte tradiert, entfalteten Ihwan as-Safa einen Vernunftbegriff, der von ethisch eingebetteter Rationalität ausgehend, auf den Einklang von Mensch, Gesellschaft, Natur und Kosmos orientiert. Die Einheit allen Seins hat den Menschen zu ihrem Zentrum. Der Humanismus bei Ihwan as-Safa ist zudem von einer inter- bzw. transreligiösen Ethik inspiriert. Vor diesem Hintergrund bietet sich das Opus der Lauteren Geschwister zur Wiederentdeckung an, Auswege aus der Krise Mensch und Wissenschaften aufzuzeigen und Perspektiven eines in der Philosophie- und Ideengeschichte schlummernden Humanismus zu aktualisieren.
Zum Autor:
Dr. Detlev Quintern, Historiker und Museologe, promovierte an der Universität Bremen mit der Schrift ›Qarmaten und Ihwan as-Safa - Gerechtigkeitsbewegungen im Kalifat der Abbasiden und die universalistische Geschichtstheorie.‹ Als Kurator wirkte er zuletzt an der Einrichtung des Istanbuler Museums für die Geschichte der Wissenschaften und Technik im Islam mit. Er lehrt an Universität und Hochschule Bremen (Kulturwissenschaften, Politische Philosophie). Zur Buchmesse 08 erscheint (zs. mit Verena C. Paulus): Entführung in den Serail. Interdisziplinäre Beiträge zum Orientalismus.
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