Neben Mahatma Gandhi ist Aurobindo Ghosh, den ich im folgenden nur kurz als Aurobindo bezeichnen werde, sicherlich eine der farbigsten Persönlichkeiten und profundesten Denker des Neo-Hinduismus. Weil ich Aurobindo zudem für einen der ergiebigsten Autoren im Hinblick auf die gegenwärtige interkulturelle Diskussion halte, habe ich dem Herausgeber der "Interkulturellen Bibliothek", Herrn Hamid Reza Yousefi, vorgeschlagen, einen Beitrag für diese Reihe zu verfassen, der die interkulturelle Bedeutung Aurobindos gebührend zu würdigen versucht. Es hat mich sehr gefreut, daß Herr Yousefi sofort einverstanden war, und ich will es nicht versäumen, mich bei ihm für die Möglichkeit zu bedanken, die Grundgedanken eines m. E. bedeutenden Vermittlers zwischen der "westlichen" und der "östlichen" Geistigkeit in knapper Form darstellen und interpretieren zu können.
Aurobindos Leben und Werk sind in der Tat in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich, wie schon allein eine Aufzählung seiner unterschiedlichen Tätigkeiten und der damit verbundenen verschiedenen Selbst- und Fremdbeschreibungen beweist: Sekretär des Maharaja von Baroda, Professor, Revolutionär, Publizist, Politiker, Philosoph, Psychologe, Dichter, Mystiker, Seher und Utopist. Keine Charakterisierung scheint diese vielschichtige Persönlichkeit, die sich einer äußerlichen Betrachtungsweise entzieht, so ganz zu treffen. Das Leben Aurobindos läßt sich grob in zwei Phasen unterteilen, in die politische Phase vor und in die spirituelle Phase nach der Wende von Alipur.
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