Interkulturalität ist für den historisch-kulturellen und politischen Topos Rußland ein Apriori des gesellschaftlichen Lebens, ein wesentlicher Faktor seiner Geschichte und ein philosophisches Problem. Das Problem des interkulturellen Charakters der russischen Kultur bleibt eines der führenden Themen der philosophischen Reflexion in Rußland. Das Ziel des geplanten Buchs besteht in der Analyse dessen, wie man mit diesem Problem in der russischen, sowjetischen und post-sowjetischen Philosophie umgeht. Folgende Denkfiguren bilden die Stichwörter der Forschung:
- in der russischen Philosophie:
1) Apriori der Interkulturalität und Suche nach der kulturellen Selbstidentifikation. Im Zentrum der Betrachtung steht die prolongierte Diskussion zwischen den Slawophilen und Westlern, innerhalb deren drei Möglichkeiten der Selbstbestimmung entwickelt wurden: wir sind ein Teil Europas (A. Herzen, N. Berdjaev); wir sind ein Areal Asiens (N. Trubeckoj); wir wählen den "Zwischenweg" (A. Chomjakov, Aksakovs).
2) Apriori der Interkulturalität und das historische Schicksal Rußlands: a) Provokation von P. Chaadaev: Interkulturalität der Kultur und kulturelle Onmacht; b) Interkulturalität und Modelle der Kultur (K. Leontjev); c) Interkulturalität der Kultur und Messianismus (F. Dostoevskij). 3) Apriori der Interkulturalität und ihre erkenntnistheoretische Vorteile - Erkennen nach "russischer Art" (V. Solovjev, S. Bulgakov, P. Florenskij).
- in der sowjetischen Philosophie:
Im Zentrum der Unteruchung wird das Verhältnis des Marxismus-Leninismus zum Problem der Interkulturalität gerückt. Die Fragen nach Interkulturalität und Internationalismus und Interkulturalität und Formung des "sowjetischen Volks" werden hier behandelt.
- in der post-sowjetischen Philosophie:
Es wird um die interkulturelle Forschung als philosophische Disziplin in modernem Rußland gehen. Ich beabsichtige, ein Porträt dieser Disziplin aufgrund der Analyse des heutigen Forschungsstandes und Interviews mit den führenden Spezialisten in diesem Gebiet zu geben.
Zur Autorin:
Maja Soboleva, geboren 1965, studierte Philosophie in Sankt
Petersburg. Promovierte über die Philosophie der symbolischen Formen
Ernst Cassirers. Sie habilitiert sich gerade über "Philosophie als
Sprachkritik in Deutschland". Zur Zeit ist sie wissenschaftliche
Mitarbeiterin in einem Forschungsprojekt zur Geschichte des
russischen Positivismus am Seminar für osteuropäische Geschichte an
der Philipps-Universität Marburg. Ihre Forschungsbereiche sind:
Geschichte der Philosophie, Erkenntnis- bzw. Wissenschaftstheorie,
Sprachphilosophie.
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