Das Buch ist der erste Band der Interkulturellen Bibliothek, herausgegeben von den beiden
Autoren zusammen mit I. Braun, K. Fischer und J. D. Reinhardt. Das gemeinsame Anliegen aller "interkulturell-philosophischen
Ansätze" sei die "Forderung nach Anerkennung unterschiedlicher Denkrichtungen". Dabei wird auf 75% der 133 Seiten gegen das
falsche Philosophieverständnis der "übermächtigen und weltbeherrschenden hegemonialen Macht des Eurozentrismus" gemahnt und
polemisiert. In seinem "allgemeinen Teil" zitiert Yousefi als Beispiel für eine vorbildliche Balance von Selbstbehauptung und
Offenheit folgenden Satz von Gandhi (80): "Ich möchte nicht, dass mein Haus an allen Seiten zugemauert ist und meine Fenster
alle verstopft sind. Ich will, dass die Kulturen aller Länder durch mein Haus so unbehindert wie nur möglich wehen. Doch
weigere ich mich, von irgendeiner weggeweht zu werden." Schildert Gandhi hier nicht die Situation vor allem der europäischen
Philosophie? Wie kann diese reagieren, wenn Gäste in ihr Haus kommen, die alles durcheinander bringen und ihr vorwerfen, sie
habe das Haus falsch eingerichtet? Sie wird, gutmütig wie sie ist - und mittlerweile auch sehr an narzisstische Schuldlust gewöhnt -,
zunächst prüfen, was ihr konkret vorgeworfen wird. Ein Vorwurf lautet, sie nehme allein für sich den Ehrentitel Philosophie in
Anspruch und halte die Fähigkeit dazu nur im Europäer für erreicht. Dies sei gegen den kategorischen Imperativ, in dem die Menschen
doch dazu aufgefordert würden, "so zu handeln, dass die Maxime ihres Handelns zur allgemeinen Gesetzgebung wird." So formuliert
würde der Imperativ allerdings nur besagen: Setze die Maxime deines Handelns auf jeden Fall durch. Richtig zitiert lautet er jedoch:
"Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." Als möglicherweise
vom allgemeinen Gesetz Betroffene soll ich die Verallgemeinerung meiner Maxime wollen können. In solchem Geist folgt man gern der
Aufforderung Malls, nicht die Wahrheit über die indische Philosophie zu suchen, sondern in ihr. Was man aber in diesem Band etwa
zum Stichwort Pratityasamutpada finden wird, ist wiederum nur die Feststellung, dass europäische Wissenschaftler darüber nichts
Wesentliches herausgefunden haben. Soll man nun angesichts der Mischung der herbeigezogenen Autoren die Frage nach dem Unterschied
von Eklektizismus und kühner Auswahl stellen, oder gemäß des Tons die nach dem Unterschied zwischen Eifer und Engagement? Besser ist,
Yousefis respektable Porträts der Arbeiten von H. Kimmerle (Philosophie nicht nur in Schriftkulturen), F. M. Wimmer (Polylog), Raul
Fornet-Betancourt (Machtfrage interkulturell stellen) und R. A. Mall (analogische Hermeneutik) zu nutzen und für Nachfolgebände der
Reihe z.B. einen durchgeführten und reflektierten interkulturellen Dialog über den Begriff der Weisheit zu empfehlen.
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