Band 5 und 6

Johann Nikolaus von Hontheim -
Justinus Febronius abbreviatus et emendatus (1777)
Eingeleitet und herausgegeben
von Ulrich L. Lehner

Rezension


 

Zu den grundlegenden theologischen Problemen vom Hochmittelalter bis zum 1. Vatikanum gehört die Frage nach der Autorität des Papstes und der Konzile. Zu den zentralen Schriften dieses äußerst kontrovers diskutierten Themas gehört ohne Zweifel das unter dem Pseudonym Iustinus Febronius erschiene Werk De statu ecclesiae et legitima poteste Romani Pontificis über singularis, ad reuniendos dissidentes in religione Christianos compositu aus dem Jahre 1763 (bis 1773 wuchs das Werk auf fünf Bände an) des Weihbischofs von Trier, Nicolaus von Hontheim (1701-1790). 1777 erschien eine gekürzte Ausgabe unter dem Titel Justinus Febronius abbreviatus et emendatus und 1781 ein Kommentar zum Widerruf der zentralen Thesen der Schrift De statu: Justini Febronii commentarius in suam retractionem. Zu diesem Widerruf war von Hontheim im Jahre 1778 gezwungen worden. Von diesen beiden theologiegeschichtlich bedeutsamen Werken ist jetzt ein Nachdruck erschienen, den der Professor für Kirchen- und Theologiegeschichte der Neuzeit an der Marquette Universität in Milwaukee, Ulrich L. Lehner, besorgt hat. In seiner informativen Einleitung führt Lehner prägnant in die Kontroverse um die Autorität der Päpste und der Konzilien ein. Ein geschichtlicher Überblick Vom mittelalterlichen Konziliarismus zum neuzeitlichen Gallikanismus verdeutlicht die unterschiedlichen Positionen in dieser Frage. Wurde nach dem Konzil von Konstanz (1414-1418) die Idee von der Superiorität des Konzils (Konziliarismus) und die Begrenzung der päpstlichen Vollmacht zu einem Allgemeingut, zeigt die weitere Entwicklung deutlich den allmählichen Machtzuwachs der Päpste. Nicolaus von Hontheims zweifelsohne aus anderen, d. h. vor allem aus Schriften, die der Idee des Gallikanismus verpflichtet waren, kompilierte Schrift De statu spricht sich für eine restaurative Kirchenreform aus, die - orientiert an der für Hontheim normativen Kirche der ersten acht Jahrhunderte - den Bischöfen unbegrenzte Leitungsgewalt in ihren Diözesen einräumt und die Macht des Papstes in Rechtsfragen und in Lehrentscheidungen begrenzt. Hontheims Schrift, die in kurzer Zeit durch Übersetzungen in ganz Europa bekannt wurde, löste scharfe kirchenpolitische Auseinandersetzungen um die ekklesiale Oberhoheit aus. Der Trierer Weihbischof hatte mit seinem Werk den "Nerv der Zeit getroffen und artikulierte treffsicher das Unbehagen der deutschen Reichskirche am römischen Stuhl" (S. IX). Daß das Werk umgehend durch die römischen Zensurbehörden verboten wurde (27. 2. 1764), kann nicht weiter überraschen. In seinem Kommentar zum Widerruf betont Hontheim, daß er bei seiner ursprünglichen Position zum Papsttum verblieben ist. Allerdings entschärft er seine Kritik und seine Angriffe gegen die Kurie. Die überfällige Ausgabe der Schriften Hontheims ist ohne Zweifel eine Bereicherung der Aufklärungsforschung und wird das neu erwachte Interesse an der theologischen Theoriebildung dieser Zeit weiter verstärken.


Dirk Fleischer

   
   
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