Alexander Schlegel (Hrsg.)

Wirtschaftskriminalität und Werte

Theoretische Konzepte - Empirische Befunde - Praktische Lösungen

mit Beiträgen von Annette Kleinfeld, Alexander Schlegel, Reinhild Schwarte und Kenan Tur

Rezension


Anspruchsvolle Studie

Alexander Schlegel (Hrsg.): Wirtschaftskriminalität und Werte -Theoretische Konzepte, Empirische Befunde, Praktische Lösungen.

Die wirtschaftskrimineller Straftaten stellen zwar nur 2% der erfassten Fälle, aber 50% des durch Kriminalität verursachten Schadens von 9,84 Milliarden Euro im Jahr 2002. Obwohl sie damit als eine erhebliche Gefahr für die innere, aber auch für die äußere Sicherheit darstellt, wird sie in der Forschung kaum wahrgenommen. Insbesondere zur Person des wirtschaftskriminellen Straftäters ist außer soziobiographischen Daten kaum etwas bekannt.

Vor diesem Hintergrund werden in Kapitel I "Theoretische Konzepte" insbesondere bestehende Kriminalitätstheorien dargestellt und bewertet mit dem Ergebnis, dass ein bisher kaum untersuchter Zusammenhang von individuellen Werthaltungen und Wirtschaftskriminalität nahe liegt. Es folgen grundsätzliche Betrachtungen zu Werten und zum Wertemanagement als Schlüssel zu einer integren Organisation.

In Kapitel II werden empirische Befunde zur Werteforschung referiert und in Bezug zur modernen Praxis gesetzt. Aus den bisherigen kriminologischen, psychologischen und werttheoretischen Überlegungen wird als Synthese das Design der vorliegenden Studie abgeleitet. Praktische Lösungen werden schließlich in Kapitel III dargestellt. Der von den Autoren entwickelte Forschungsansatz, Wirtschaftskriminalität im Zusammenhang mit individuellen Werthaltungen zu untersuchen und inhaftierte Wirtschafsdelinquenten in ihren Werthaltungen mit denen der Normalpopulation (Kontrollgruppe) zu vergleichen, steht außerhalb der Orthodoxie psychologischer und kriminologischer Forschung und gelangt zu neuen, auf den ersten Blick überraschenden Erkenntnissen. Die deutlichsten Differenzen zwischen beiden Gruppen zeigen sich nicht in den klassisch anzunehmenden Eigenschaften, insbesondere der Gewissenhaftigkeit, sondern vor allem in den Werthaltungen, die bei Wirtschaftskriminellen durch ein verzerrtes Selbstbild geprägt werden, und in unterschiedlichen Narzissmuswerten. Als Praxisextrakt wird festgehalten, dass die Diskriminanzanalyse 83 % der Untersuchungsteilnehmer korrekt als Wirtschaftskriminelle bzw. als zur Kontrollgruppe gehörend identifizieren konnte.

Diese sehr anspruchsvolle Studie ist für alle empfehlenswert, die bei der Personalauswahl, aber auch im Rahmen der Mitarbeiterführung Erkenntnisse zur Integrität von Personen gewinnen bzw. positiv auf den Integritätsfaktor einwirken wollen. Für die Strafverfolgung haben die Ergebnisse - außer präventiven Aspekten durch die Nichteinstellung potenzieller Wirtschaftskrimineller - insofern Bedeutung, als möglicherweise bestehende Vorurteile, z.B. dass Wirtschaftkriminelle wenig gewissenhaft seien, abgebaut werden, und Erkenntnisse aus der Studie zu Werthaltungen und zum verzerrten Selbstbild sowie zum ausgeprägten Narzissmus bei den Ermittlungen, insbesondere Vernehmungen, hilfreich sein können.

Klaus Jürgen Timm,
Präsident des HLKA a.D.


Copyright © 2003 by Verlag Traugott Bautz