Peter Heinrich

Mensch und freier Wille

bei Luther und Erasmus

Ein Brennpunkt reformatorischer Auseinandersetzung -
Unter besonderer Berücksichtigung der Anthropologie

Rezension


Interessant und aktuell

Ein Buch mit dem Titel "Mensch und Freier Wille" wirkt möglicherweise auf einen theologischen Laien abschreckend. Dabei ist das Thema interessant und auch sehr aktuell wie z. Bsp. der Artikel "Freiheit, die wir meinen" in "Gehirn und Geist" 1/2004 beweist.

Meistens wird die Diskussion auf die Frage reduziert, ob man einen Kriminellen für seine Taten voll verantwortlich machen kann und wie die Strafe zu bemessen ist.

Im biblisch-theologischen Sinn geht es jedoch darum, ob der in Gottes Augen durch die Sünde verdorbene Mensch zu seiner Errettung aus eigener Kraft etwas beitragen kann.

Der Unterschied zwischen dem humanistischen und dem biblischen Standpunkt wird an Luther und Erasmus besonders deutlich.

Peter Heinrich arbeitet im ersten Schritt jeweils detailliert die Anthropologie und die Willenslehre beider heraus. Dabei weist er nach, daß die Argumentation des Erasmus eigentlich auf Thomas von Aquin zurückgeht. Das ist u.a. für das Verständnis des offiziellen Standpunkts der Katholischen Kirche wichtig.

Erasmus geht von einer Schichtung des Menschen in Leib, Seele und Geist aus. Der Sündenfall hat die ursprüngliche Harmonie zwischen Leib und Seele gestört. Die Vernunft (ratio) des Menschen ist zwar durch den Sündenfall verdunkelt aber nicht ausgelöscht. Die göttliche Gnade erzieht die Vernunft, das sittlich Gute zu sehen und anzustreben. Der Mensch wirkt mit der göttlichen Gnade zusammen (cooperatio). Obwohl der Mensch nach dem Sündenfall dem Bösen mehr zugeneigt ist als dem Guten, ist seine Willensfreiheit doch nicht völlig beseitigt und er ist unter dem Einfluß der Gnade fähig, sich für das Gute zu entscheiden.

Luther sieht den Menschen als durch den Sündenfall völlig verderbt, d.h. er tut das Böse aus bereitwilligem Antrieb (innerlich zustimmend). Auch der Wille des Menschen ist verderbt und muß erlöst werden. Die Gnade macht den Willen neu (Wiedergeburt). Eine "cooperatio" zwischen Wille und Gnade im Sinn eines menschlichen Beitrages ist ausgeschlossen.

Im zweiten Teil des Buches faßt Peter Heinrich die wesentlichen Unterschiede zwischen Luther und Erasmus zusammen. Wesentlich ist besonders das Verständnis von der Rechtfertigung des Menschen vor Gott. Nach Erasmus kommt es durch die Übung im Tun christlicher Tugenden zur Wesensveränderung des Menschen, nach Luther wird der Mensch allein durch die göttliche Gnade gerechtfertigt und will dann Gottes Geboten gehorchen.

Es geht um den Unterschied zwischen Religion und Evangelium: Auf der einen Seite (Erasmus) der Mensch, der sich zu Gott hin bemüht und dabei an seine eigenen Fähigkeiten glauben muß. Auf der anderen Seite (Luther) der Sünder, der allein durch Gottes Gnade erlöst wird. Obwohl er völlig verdorben ist, ist der Mensch doch verantwortlich vor Gott. Das ist für den menschlichen Stolz sehr hart und deshalb schwer anzunehmen. Deshalb ist auch der Glaube Gottes Geschenk. Außerdem handelt es sich um die realistische Zustandsbeschreibung des Menschen und den Weg, um Frieden zu finden.

Thomas Freudewald
D-Schlema


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