Uwe Czubatynski

Kirchengeschichte und Landesgeschichte

Gesammelte Aufsätze aus den Jahren 1991 bis 2003

2. erweiterte Auflage

Rezension


Unter einem Titel wie Kirchengeschichte und Landesgeschichte ist vielerlei vorstellbar. Daß aber gerade der Bibliothekswissenschaftler und der Bibliophile hier in besonderem Maße fündig wird, ahnt nur derjenige, dem der Autor Uwe Czubatynski bereits bekannt ist. Der seit Dezember 2000 in Rühstädt (Prignitz) als Pfarrer für zehn an Elbe und Havel gelegene Kirchdörfer zuständige Wissenschaftler des Jahrgangs 1965 kann bereits auf reiche praktische Erfahrungen im Bibliothekswesen und zahlreiche Veröffentlichungen zu diesem Bereich zurückblicken.

Das Studium der evangelischen Theologie hatte Uwe Czubatynski im Herbst 1983 am damaligen Sprachenkonvikt Berlin, der späteren Kirchlichen Hochschule Berlin-Brandenburg, begonnen. Nach dem Zweiten Theologischen Examen 1990 wurde er in die Stelle eines Repetenten beziehungsweise Assistenten für Kirchengeschichte an die Kirchliche Hochschule Berlin-Brandenburg entsandt. Bereits während der Studienzeit war das Interesse an historischen Bibliotheken durch Oberkirchenrat Dr. Konrad von Rabenau und Dr. Adolf Laminski geweckt worden. Praktische Erfahrung bei der Erschließung alter Buchbestände bestimmte die Wahl seines Promotionsthemas, die Geschichte des kirchlichen Bibliothekswesens, und führte zugleich zur Mitarbeit am Handbuch der historischen Buchbestände in Deutschland. Von September bis November 1992 hatte Czubatynski die Gelegenheit, als Stipendiat der Dr. Günter-Findel-Stiftung seine Studien an der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel fortzusetzen. Ferner begann er an der Humboldt-Universität ein postgraduales Studium der Bibliothekswissenschaft. Diese zusätzliche Ausbildung zum Fachbibliothekar, die er im Juli 1993 beendete, wurde nachträglich als dem Zweiten Staatsexamen für den höheren Bibliotheksdienst gleichwertig anerkannt.

Von 1993 bis 1996 leitete er nebenamtlich den Kirchlichen Zentralkatalog in Berlin, an dem er schon zuvor mitgearbeitet hatte. Nachdem dessen Tätigkeit aus finanziellen Gründen eingestellt werden mußte, konnte die bisher geleistete Arbeit durch eine Mikrofiche-Edition im Verlag K.G. Saur gesichert werden.

Die ersten größeren Veröffentlichungen Uwe Czubatynskis waren 1996 eine Bibliographie zum kirchlichen Archivwesen in Deutschland und 2000 das biographische Nachschlagewerk Pfarrerbuch der Altmark. Gleichzeitig publizierte er in zahlreichen kleineren Beiträgen, die verstreut in Zeitungen und Zeitschriften abgedruckt sind, weitgehend unbekannte Quellen zur Kirchen- und Landesgeschichte. Ein großer Teil dieser Beiträge erschien im August 2003 unter dem Titel Kirchengeschichte und Landesgeschichte in Buchform. In seiner darin im Anhang abgedruckten Personalbibliographie verzeichnet Czubatynski von 1987 bis zum Erscheinen des Sammelbandes insgesamt 117 Titel. 78 Aufsätze und Rezensionen finden sich in dem Band wieder, davon ein knappes Drittel zum Buch- und Bibliothekswesen. Dazu kommen noch elf Beiträge, in denen sich der Autor, der seit 2001 Mitglied des Beirats für das Domstiftsarchiv Brandenburg ist, speziell Archiven widmet.

Von seinen Rezensionen hat Czubatynski, wie er im Vorwort schreibt, nur solche zu Werken übernommen, "zu denen Korrekturen oder inhaltliche Ergänzungen beigesteuert werden konnten", also die "den Anspruch erheben, deutlich mehr als eine bloße Inhaltsangabe fremder Werke zu sein". So weist er bei Adolf Laminski, Die Kirchenbibliotheken zu St. Nicolai und St. Marien (Leipzig 1990), auf noch frühere Bibliotheken in Berlin hin. In der Besprechung von Christa Stache, Das Evangelische Zentralarchiv in Berlin und seine Bestände (Berlin 1992), geht es ihm darum, festzustellen, daß dieses Archiv bisher "wohl immer noch zu wenig genutzt" wird, während er zu Martin Germann, Die reformierte Stiftsbibliothek am Großmünster Zürich im 16. Jahrhundert und die Anfänge der neuzeitlichen Bibliographie (Wiesbaden 1994), bemerkt, daß es sich hier um ein "unentbehrliches Nachschlagewerk" handelt. Auch Jahre nach dem Erscheinen von Heinz Gittig / Willi Höfig, Berliner Zeitungen und Wochenblätter in Berliner Bibliotheken (Berlin 1991), ist der Hinweis darauf noch hilfreich, handelt es sich doch bei diesem Buch um eine Pionierarbeit: Aus einer Vielzahl von Institutionen zusammengetragen, stellt es ein wichtiges Informationsmittel nicht nur für Bibliotheken dar. Und wer weiß, daß Hellmut Döring mit seiner Schrift Freiberger Inkunabelkatalog (Berlin 1993) die älteste Freiberger Bibliotheksgeschichte mit größter Genauigkeit anhand einer der ganz wenigen in den neuen Bundesländern noch bestehenden Schulbibliotheken untersucht hat?

Die von ihm selbst recherchierten Themen sind ebenfalls vielfältig. So beschreibt Czubatynski die Wertvollen Bücherschätze im Kloster Heiligengrabe und wertet sie als Zeugnis hoher Bildung in einem Frauenkonvikt. In der Darstellung Die Kirchenbibliothek Altlandsberg und ihr Gründer Heinrich Spätich liefert er einen ausführlichen Lebenslauf des Genannten, bringt aber auch Aussagen zu Unterbringung, Finanzierung und Nutzung sowie eine Charakterisierung des Bestandes. Eine Lanze für kleine Museumsbibliotheken bricht der Autor in dem Beitrag Altbestände in Museumsbibliotheken. Ein Erfahrungsbericht aus Perleberg. In diesen Bibliotheken sei ein Abbild der besonderen Lesebedürfnisse einer Kleinstadt zu finden. Sie besitzen Literatur, die in großen Bibliotheken nur wenig gesammelt werden kann. Aber auch wertvolle und seltene Werke sind oft bei ihnen aufgehoben, wie Czubatynski in Perleberg feststellen konnte, wo sich der Nachlaß von Ruth Knorr befindet. Gleiches gilt für die altmärkische Stadt Gardelegen (Zur Bibliotheksgeschichte Gardelegens und Magdeburgs im 17. und 18. Jahrhundert), "die mit ihrer kleinen, nur etwa 230 Titel umfassenden Kirchenbibliothek ein bedeutendes Denkmal der Bibliotheksgeschichte" besitzt. Anhand von Zwei Quellen zur Bibliotheksgeschichte der Stadt Braunschweig im 18. Jahrhundert wird wegen der "weitgehend unerforschten Materialien" auf "reiche Betätigungsfelder" hingewiesen.

Der interessanten Beispiele könnten noch mehr genannt werden. Uwe Czubatynski spürt mit Vorliebe Verborgenes auf, will seine Freude am Entdecken weitergeben und seine Leser anregen, diese Schätze zu nutzen beziehungsweise es ihm gleich zu tun. Aber auch aktuellen Problemthemen widmet er sich, wenn er sich zum Beispiel in Konservierung, Zentralkatalogisierung, Kassation: Zum Problem der Aussonderung (ungedruckt) zur sogenannten minderwichtigen oder toten Literatur äußert. Es ist sicher noch viel von diesem Wissenschaftler zu erwarten, der sich bei seiner Familie bedankt, die ihm "trotz eines ganz anders konturierten Alltags im Pfarramt immer wieder den Rückzug in das Studierzimmer ermöglicht hat". Diese "Gesammelten Aufsätze" jedenfalls bilden für den Bibliophilen eine wahre Fundgrube mit vielfältigen Anregungen für die eigenen Forschungen.

Elke Lang


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