Rüdiger Schütt, Petra Blödorn-Meyer, Michael Mahn (Hrsg.)

Carl Friedrich Cramer

Revolutionär, Professor und Buchhändler

Rezension


Weltbürger Cramer

Eine Ausstellung und ein Buch erinnern an den Pariser Deutschen

Sie haben das alles ja schon damals diskutiert ob sich die Menschenrechte mit Krieg und Gewalt gegen Despoten durchsetzen lassen ("Niemand liebt die bewaffneten Missionare", mahnte, ausgerechnet, Robespierre). Wie ein vereinigtes Europa aussehen könnte. Oder gar eine Weltrepublik. Darüber haben sie sich die Köpfe heiß geredet und scharfsinnige Traktate verfasst, damals, in den kosmopolitischen Jahren der Französischen Revolution. Ein Professor aus Kiel gehörte auch dazu: Carl Friedrich Gramer. Unermüdlich vermittelte er zwischen Frankreich und Deutschland, übersetzte, schrieb Artikel. Nach seinem Tod - 1807 in Paris - war sein Name hierzulande bald vergessen, verloren in der großen Nacht des Nationalismus, die sich über Europa gesenkt hatte.

Jetzt wird seiner erstmals gedacht: mit einer Ausstellung in der Kieler Universitätsbibliothek und einem lehrreichen Begleitbändchen. Hier in Kiel war der hoch begabte Mann 1775, mit 23 Jahren, Professor für orientalische Sprachen geworden. Doch lieber als jungen Theologenschöpsen die Vokabeln abzuhören, schrieb er über Klopstock, den Meister und Freund, schrieb er selber Gedichte oder über das Menschliche Leben im Allgemeinen, wie eine Schriftenreihe hieß, die er herausgab. Und über Musik; die Ausstellung zeigt Cramers Stammbuch: Grüße der Bach-Söhne Friedemann und Carl Philipp Emanuel. Seine Rousseau-Übersetzung führte ihn auf gefährliche Pfade. Als er 1793 Revolutionsschriften ins Deutsche bringen will, ist die viel gerühmte dänische Toleranz, die Kiel damals genoss, zu Ende. Der Professor wird gefeuert.

Cramer geht nach Paris, setzt seine subversive Arbeit mit Vergnügen fort, zumal er in der Lotterie (!) ein hübsches Haus an der Rue des Bons Enfants gewonnen hat und dank diskreter Unterstützung durch den Hamburger Kaufmann Sieveking einen Buchladen samt Druckerei aufbauen kann. Zusammen mit Pariser Freunden übersetzt er aus dem Französischen ins Deutsche (Diderot, Chateaubriand), aus dem Deutschen ins Französische (Klopstock, Schiller) und schildert dem alten Deutschland aus Paris die Debatten, die Träume des neuen Europa. Doch spätestens 1804, als sich Napoleon die Kaiserkrone aufstülpt, ist Cramers Epoche, die Epoche der Weltbürger, vorbei - für lange Zeit.

BENEDIKT ERENZ


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