Rüdiger Schütt, Petra Blödorn-Meyer, Michael Mahn (Hrsg.)

Carl Friedrich Cramer

Revolutionär, Professor und Buchhändler

Rezension


Goethe war ihm gar nicht grün

Ausstellung über Kieler Revolutionär und Professor Carl Friedrich Cramer

Er war ein streitbarer Geist, der sich auch nicht davor scheute, sich mit seinem Zeitgenossen Goethe anzulegen. Kurzum: Carl Friedrich Cramer, der einst an der Kieler Universität für allerlei Turbulenzen sorgte, und der Dichterfürst waren sich nicht grün. Cramer zog es einst von Kiel aus in die Welt, er war ein progressiver Kosmopolit und Vorkämpfer der europäischen Idee. Weil der schillernde gebürtige Quedlinburger und spätere Kieler vor 250 Jahren geboren wurde, zeigt die Unibibliothek seit gestern eine Ausstellung zum Thema "Carl Friedrich Cramer, Revolutionär, Professor und Buchhändler". Organisiert wurde die Ausstellung mit insgesamt 150 unterschiedlichen Exponaten von Dr. Rüdiger Schütt.

"Cramer ist eine sympathische Figur. Er hatte sehr früh sehr konkrete Ideale denen er Zeit Lebens treu geblieben ist", erklärt Schütt die Faszination eines Mannes, der immer nach dem Neuen suchte, der Avantgarde und mit vielen großen Denkern und Musikern seiner Zeit in regem Kontakt stand. Auch diesen Schriftverkehr dokumentiert die Ausstellung mit Briefen, Arbeitsauszügen, Tagebuchseiten und Publikationen des streitbaren Revolutionärs. Der wurde 1775 nach Kiel berufen, wo Vater Johann Andreas Cramer Kanzler der Universität war. Carl Friedrich Cramer, der unter anderem Homiletik (die Geschichte der Predigt) lehrte, gehörte wohl nicht zu den professoralen Publikumsmagneten. Im Schnitt kamen noch nicht mal zehn Studenten zu seinen Vorlesungen, die er aber laut Schütt "mit einer Inbrunst hielt, als habe er 150 Menschen vor sich".

Cramer dachte gar nicht daran, sich nur auf eine Disziplin zu beschränken. Der Autor, Übersetzer, Herausgeber und Redakteur war sein Leben lang eng mit den Odendichter Friedrich Gottlieb Klopstock befreundet, dessen Editor und Biograph er wurde. Klopstock war es, der aus Goethe und Cramer zwei Streithähne machte. Weil Goethe über das Werk Klopstocks gelästert und Cramer ihm daraufhin einer giftigen Brief geschrieben hatte, hatte es sich Cramer endgültig mit dem Dichterfürsten verscherzt. "In dem Brief nennt er Goethe den Übermütigsten der Übermütigen - das war damals eine ausgesprochene Beleidigung", erklärt Schütt. Goethe wiederum schrieb spöttische Verse, nannte Cramer den "Krämer".

Sein Engagement für die Französische Revolution und die Tatsache, dass er die Unibibliothek sowohl vom Buch-Angebot wie den Öffnungszeiten für absolut rückständig hielt, waren der Grund, dass Cramer zuerst der Uni und später der Stadt Kiel verwiesen wurde. In seiner neuen Wahlheimat Paris dachte er aber nicht im mindesten daran, in Magazinen und anderen Publikationen seine fortschrittlichen Meinungen für sich zu behalten. Für Mozarts Widersacher Antonio Salieri, mit dem er auch in Briefkontakt stand, übersetzte Cramer Opern; befreundet war er auch mit den Bach-Söhnen Carl Philipp Emanuel und Wilhelm Friedemann. Cramer war auch Herausgeber eines Musikmagazins und schrieb schließlich gemeinsam mit Mercier und Pinkerton einen unterhaltsamen Reiseführer über Paris. 1807, während der Arbeit, starb der Goethefeind und Avantgardistenfreund, der einst die Landeshauptstadt verlassen musste und sich später von einem Lotteriegewinn ein schönes Haus in Paris leisten konnte. Richtig berühmt wurde Cramer nie. Schütt: "Vielleicht liegt es daran, dass er sich einfach mit zu vielen Sachen beschäftigt hat."

"Der Anblick der Natur"

Unerschöpflich und reich ist
deine Fülle, Natur,
Unbelebter und lebender
Kinder Mutter, Du!
Schlägt auch ein Herz wo,
das steinern ist,
Dich verkennt und nicht Thränen weint?

Hört wo ein Ohr des Gang
des Unendlichen nicht
In der Donnerwolke? In dem
Lispel des Weltbachs?
In der Stimme des Quells, in
dem Liede
Der Gespielen meiner Leier?

Sieht wo ein Aug' ihn im
Auge des Weibes nicht?
Im süßen Antlitz seiner
Geliebten nicht? -
Des Meisters Meisterstück!
die Seele
Die sich im lächelnden Bilde
bildet,

Und schweigend spricht!...

Ausschnitte aus einem
Gedicht anno 1777

PM


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